Süddeutsche Zeitung

Münchner Hauptbahnhof:Bundespolizei filmt künftig Einsätze mit Bodycams

Lesezeit: 2 min

Von Susi Wimmer

Jetzt also auch München: Nachdem andere Bundesländer schon Testläufe hinter sich haben, probiert nun die Bundespolizei am Hauptbahnhof von Freitag an die sogenannten Bodycams aus. Die kleinen Kameras sind an Brust oder Schulter der Einsatzwesten montiert und sollen bei "konkreten Gefahrenlagen" eingeschaltet werden, sagt Inspektionsleiter Jürgen Vanselow. Der Hauptbahnhof gilt als Brennpunkt, und Vanselow beobachtet dort "eine zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der Polizei". Die Kameras sollen seiner Meinung nach in erster Linie Gewalttäter abschrecken und zur Beweissicherung bei Straftaten dienen.

Polizeimeister Nicolas Hermann drückt den Knopf an seiner Weste, ein rotes Blinklicht geht an und die Kamera an seiner Brust filmt. Das Besondere an seinem Modell: Das Gegenüber kann das Bild auch sehen, also quasi sich selbst. Der 26-jährige Beamte ist einer von insgesamt 25 Kollegen, die sich freiwillig für das Pilotprojekt Bodycam gemeldet haben. Sie wurden speziell geschult, wann und was gefilmt wird, und dass die Betroffenen darüber informiert werden müssen.

Was sich die Polizei von den Kameras erhofft

"Das größte Problem am Bahnhof sind Alkohol und Drogen", erzählt er. Hier werde rund um die Uhr Alkohol verkauft, das ziehe Feiernde an, aber auch Menschen, die sich bei schlechtem Wetter ins warme und helle Bahnhofsgebäude flüchten. Und unter den Betrunkenen, das zeigt der tägliche Pressebericht der Bundespolizei, kommt es häufig zu Schlägereien, ob mit Fäusten oder Bierflaschen. Die Fälle von Widerstand gegen Polizisten seien von 2014 auf 2015 um etwa zehn Prozent auf 142 angestiegen, sagt Inspektionsleiter Vanselow.

"Mich interessiert, ob diese Kameras unser Bahnhofsklientel ansprechen und eventuell abschrecken", meint Julia Siegmund. Die 30-jährige Polizeiobermeisterin führt die Schulterkamera vor. Hier kann sich das Gegenüber nicht sehen. Auch hier blinkt ein rotes LED-Licht während der Aufnahme auf, zusätzlich tragen die Beamten Schilder auf Brust und Rücken, die sie als Videobeamte ausweisen.

Beide Polizisten hoffen, dass ihre "Kundschaft" beim Anblick der Kameras weniger aggressiv reagiert. "Damit könnten wir uns besser schützen", sagt Julia Siegmund. Die junge blonde Beamtin kennt körperliche Auseinandersetzungen aus eigener Erfahrung und erlitt wie ihr Kollege beim Eingreifen schon blaue Flecken und Prellungen.

Wie viele Bodycams in München eingesetzt werden

Die insgesamt drei Kameras sollen nur an öffentlichen Orten eingesetzt werden, vorwiegend am Hauptbahnhof, aber auch am Ostbahnhof, dem Pasinger Bahnhof, in S-Bahnen oder Regionalzügen. Die Beamten können die Kameras per Knopf starten und stoppen, aber keine Sequenzen löschen. Nach Dienstende werden die Kameras dem Vorgesetzten übergeben, er wertet das Material dann aus und entscheidet, ob Straftaten erkennbar sind. Wenn nicht, wird sofort gelöscht, wenn doch, wird der Film gespeichert und kann später Staatsanwaltschaft oder Gericht als Beweismittel dienen. Der Film ist übrigens ohne Ton.

Die Bundespolizisten wollen die Bodycams vor allem an den Wochenenden einsetzen, wenn der Hauptbahnhof mit Fußballfans, Feiernden oder Wiesngästen gut gefüllt ist. Denn zu diesen Zeiten, so die Erfahrung der Beamten, kommt es besonders häufig zu Angriffen gegen Uniformierte. Man habe den Einsatz der Kameras vorab juristisch geprüft, versichert Vanselow. Der betroffene Bürger kann übrigens das Abschalten der Videoaufzeichnung nicht verlangen, und auch später die Aufnahmen nicht einsehen.

In Hessen, so die Polizei, habe man nach erfolgreichem Probelauf die Kameras eingeführt. Auch das Polizeipräsidium München wird sich an dem Pilotprojekt beteiligten und im Laufe des Jahres auch Streifenbeamte damit auf die Straße schicken.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2016
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