Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Landtag:Erste Drohung mit einem S-Bahn-Untersuchungsausschuss

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Der Landtag debattiert erregt über die Verzögerung und Verteuerung der Münchner S-Bahn-Stammstrecke. Die Opposition kritisiert, die Staatskanzlei habe bereits 2020 von den drastischen Kostensteigerungen gewusst, aber nichts unternommen.

Von Heiner Effern und Johann Osel

Ein kleiner Tumult, ständig erhöhter Lautstärkepegel, so viele Zwischenrufe, dass die Redner manches Mal kaum mehr zu verstehen waren: Das Milliardenloch bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke und die um neun Jahre längere Bauzeit bis 2037 erhitzen im Landtag die Gemüter so sehr, dass Vize-Präsident Thomas Gehring (Grüne) entschied, die Sitzung zu unterbrechen und den Ältestenrat einzuberufen.

Für den größten Aufreger hatte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn gesorgt: Er forderte in einem Antrag, dass der Landtag für die Sitzung den abwesenden Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) herbeizitieren solle - diese "Herbeirufung" sieht die Geschäftsordnung bei Mehrheitsbeschluss vor. Auch weil Söders Krisengipfel kommende Woche ohne Beteiligung des Parlaments stattfinde, müsse er jetzt im Landtag sprechen, sagte Brunn, "nicht kneifen, nicht wegducken, nicht mit dem Finger auf andere zeigen".

Nach der Sitzungspause wiesen die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern den Antrag auf Herbeirufung des Ministerpräsidenten ab. Keine Zwangsteilnahme also für Ministerpräsident Söder. Er verpasste Dringlichkeitsanträge von SPD, Grünen und FDP zur Stammstrecke, Stoßrichtung: "Desaster". Die Staatsregierung habe "jahrelang geschlafen" und die wahre Lage beim Projekt "vertuscht", tadelte etwa Sebastian Körber (FDP). Florian von Brunn brachte indirekt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel, man müsse überlegen, die Vorgänge "vielleicht parlamentarisch aufzuarbeiten".

Die Opposition echauffierte sich zudem, dass das bayerische Verkehrsministerium Antworten auf parlamentarische Anfragen nicht rechtzeitig vor Sitzungsbeginn vorgelegt hätte. Dies sei "die Krönung der Unverschämtheiten", die von der Staatsregierung bei der zweiten Stammstrecke verschuldet worden seien, sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Büchler. Sein FDP-Kollege Körber nannte das Ausbleiben der Antworten "einen klaren Fall von Machtmissbrauch".

Als die Schreiben vom Verkehrsministerium am Nachmittag schließlich ankamen, entdeckten die Abgeordneten kaum Neues. "Unvollständig und nichtssagend", sagte Markus Büchler von den Grünen und deutete ebenfalls an, dass ein Untersuchungsausschuss kommen könnte. "So geht das nicht, das werden wir weiter aufarbeiten, auch parlamentarisch."

Es gab noch einen vierten Antrag zur zweiten Stammstrecken, nämlich einen von der CSU. "Klarheit" von der Bahn forderte sie darin. Den Antrag trug auch der Koalitionspartner FW mit - obwohl deren Redner Hans Friedl "nicht in Mithaftung" genommen werden wollte für die Misere und "offene, ehrliche Kommunikation" forderte. Diese sei "manchmal schmerzhaft", werde aber am Ende von den Bürgern goutiert.

Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) warf der Opposition "Skandalisierung" vor. Der Freistaat stehe zum Projekt, auch der Bund halte an der Finanzierungsstruktur fest, das gelte auch für Mehrkosten. Man sei jedoch von der Bahn abhängig, "wir bauen nicht, wir planen nicht". Auch die Experten der Monitoring-Gruppe seines Hauses hätten ihm den "katastrophalen Informationsfluss" seitens der Bahn bestätigt. Wenn die harten Fakten auf dem Tisch lägen, werde er gerne dem Landtag berichten.

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