Süddeutsche Zeitung

Ergänzung zum Oktoberfest:Schlechtes Wetter, volle Wirtshauswiesn

Lesezeit: 3 min

Angesichts guter Besucherzahlen visieren teilnehmende Innenstadt-Lokale schon eine Fortführung im kommenden Jahr an. Bei einigen After-Wiesn-Events kommen auch Servicekräfte vom Oktoberfest zum Feiern.

Von Sarah Maderer

Als wäre Petrus Wiesn-Gegner, fällt zum Anstich Münchens Temperatur und kehrt pünktlich nach dem 3. Oktober wieder zu trockenen zwanzig Grad zurück. Doch des Oktoberfests Leid ist der Wirtshauswiesn Freud. Die Münchner Innenstadt-Wirte zeigen sich zufrieden mit den Besucherzahlen der Wirtshauswiesn, die in diesem Jahr erstmals parallel zum Oktoberfest stattfindet. "Uns spielt das schlechte Wetter schon in die Karten, aber wir hatten auch vorab viele Reservierungen", sagt Annette Baronikians, Sprecherin der Wirtshauswiesn.

Ursprünglich initiiert als Corona-Alternative zur großen Wiesn-Schwester, nehmen nun schon im dritten Jahr 50 Innenstadt-Lokale an der Wirtshauswiesn teil, stechen am 17. September mit insgesamt 143 Schlägen die ersten Fässer Wiesnbier an, servieren Schmankerl in ihren hopfengeschmückten Gasträumen und warten mit Live-Musik auf. Auch in diesem Jahr werde die Wirtshauswiesn gut angenommen und sei eine tolle Ergänzung zur Theresienwiese, resümiert Baronikians. Vor manchen Lokalen hätten sich sogar kleinere Warteschlangen gebildet.

Gregor Lemke, Betreiber des "Augustiner Klosterwirts" und Sprecher der Innenstadtwirte, berichtet, dass er in diesem Jahr viele Münchner und Gäste aus dem Umland im Klosterwirt empfange. Zudem spüle es Wiesntouristen von auswärts, die ohnehin nicht nur für einen Tag nach München kämen, in die Innenstadt, und viele Gäste stimmten sich in den warmen Innenstadt-Lokalen auf den Wiesnbesuch am Abend ein. Und doch merke man in diesem Jahr, dass nicht der "touristische Druck" da sei wie noch einige Jahre zuvor, so Lemke weiter. "Trotzdem, wenn man bedenkt, was aktuell alles über uns hereinbricht, ist es sensationell", findet er in Anspielung auf Pandemie, Inflation, Gaspreise und Ukraine-Krieg. Nach aktuellem Stand wolle man die Wirtshauswiesn jedenfalls fortführen.

Weniger "touristischen Druck" nimmt auch der Wirt des "Museumsstüberls" im Bier- und Oktoberfestmuseum, Oliver Klupp, wahr. In diesem Fall liege das aber vor allem am Umbau des Museums, dadurch fehlten allein schon die Räumlichkeiten für Musikanten, und die gewohnten Touristenströme blieben aus. Klupp ist trotzdem zufrieden: "Die Wirtshauswiesn ist nicht Ballermann und auch nicht Theresienwiese, sondern Historie", so dürfe es auch in seinem historischen Haus gerne mal entspannt zugehen. Das sogenannte Italiener-Wochenende sei beispielsweise auffällig ruhig gewesen, "die kommen nicht mehr in Scharen wie früher", so Klupp. Dafür seien dieses Jahr umso mehr englischsprachige Touristen in der Stadt, besonders aus den USA.

Auch auf der anderen Seite der Theresienwiese konnte man diesen Trend verzeichnen. Im Hotel "Krone" an der Theresienhöhe hätten laut Rezeption weniger italienische und mehr US-amerikanische Gäste eingecheckt. Kurzfristig stornierte Zimmer seien innerhalb von Minuten wieder ausgebucht und das tägliche Afterwiesn-Event des Hotels gut besucht. 400 Partygäste, externe wie interne, haben täglich Platz in Foyer und Bar, die sich nach Zeltschluss rapide füllt und bis zum Open End von einem DJ bespielt wird.

Im "Wiesnclub" feiern bis zu 800 Partygäste

Wenige Meter weiter ist vorübergehend wieder der "Wiesnclub" in die Alte Kongresshalle am Bavariapark eingezogen. Zwischen 23 und 4 Uhr früh lassen dort bis zu 800 Partygäste ihren Wiesnbesuch ausklingen, darunter auch Servicekräfte im Feierabend, die dort keinen Eintritt bezahlen müssen. Wenn man sich zum Beispiel mit den Menschen an einem seiner Tische gut verstehe, verabrede man sich für später im "Wiesnclub", berichtet eine Kellnerin aus dem Schützenzelt, die sich gegen Mitternacht im Arbeitsdirndl Richtung Tanzfläche aufmacht.

Es seien aber auch viele Arbeitsgruppen unter den Feiernden, sagt Wiesnclub-Betriebsleiter Maximilian Hager. Nicht nur der Club sei jeden Abend voll, auch die Nachfrage nach dem Gesamtpaket für 500 Euro - bestehend aus Clubeintritt, Wiesntisch und Übernachtung - im angrenzenden "Augustin" sei sehr hoch. Wie auf der Wiesn nebenan seien Hager zufolge die Besucherzahlen vielleicht nicht so stark wie in den Vorjahren, die Umsätze seien aber nicht gravierend niedriger.

Abgesehen von den gut besuchten After-Wiesn-Partys zieht die Westend-Gastronomie eine eher durchwachsene Besucherbilanz. Wenn beispielsweise die Service-Belegschaften der Wiesn nicht gerade wie am letzten Wiesnabend zeltweise in den "Wiesnclub" pilgern, tummeln sie sich "in einer einzigen Feierabend-Suppn", wie ein Marstall-Kellner anmerkt, vor dem Asia-Restaurant "Frau Li", jeder kennt hier jeden. Dagegen bedeutet für Riccardo Asti, Inhaber und Küchenchef des "Marais Soir", der Volksfest-Nachbar Verlustgeschäft. Aktuell sei sein Lokal nur maximal bis zur Hälfte ausgelastet. Nächstes Jahr während der Wiesn sogar ganz zu schließen sei eine Überlegung wert, findet Asti.

Gegenüber in der Bar "Schwarzer Dackel" könnte man ohne die Wiesn auch stärkere Abende verbuchen, meint Schichtleiter Georgy. "Vom Wetter her wäre das jetzt eigentlich unsere Zeit", so Georgy weiter, stattdessen gebe es viele Amerikaner und wenig Trinkgeld. Aber insgesamt sei man im "Dackel" trotzdem zufrieden, auch wenn man sich mehr erwartet und vorab eigens mit Marillenschnaps & Co. eingedeckt habe. Viel auffälliger sei das Tagesgeschäft des sonst so lunch-starken Westends, hier seien die Lokale aktuell wie leergefegt. "Entweder die ansässigen Firmen bleiben gleich im Homeoffice oder gehen mit der Arbeit auf die Wiesn", vermutet Georgy, der selbst unweit vom "Dackel" im Westend wohnt. "Ganz München ist Wiesn" - das diesjährige Wiesn-Motto lässt sich wohl von Viertel zu Viertel unterschiedlich auslegen.

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