Süddeutsche Zeitung

Unternehmen:Wie der Ukraine-Krieg die Münchner Wirtschaft trifft

Lesezeit: 3 min

BMW und MAN müssen die Produktion drosseln, weil ihnen Kabelstränge und andere Teile von Zulieferern fehlen. Viele Unternehmer blicken auch besorgt auf den Gasmarkt - denn München ist von russischem Gas abhängig.

Von Catherine Hoffmann

Der Krieg in der Ukraine trifft auch die Münchner Wirtschaft. Etliche große Unternehmen machen mit den beiden Ländern Geschäfte, darunter BMW, MAN und Siemens. "Durch den bewaffneten Konflikt und die berechtigten Sanktionen der westlichen Welt kommen neue Unsicherheiten auf die Unternehmen zu", sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Schon jetzt verschärfen sich Lieferengpässe, weil Transportwege gestört sind und die Produktion in der Ukraine vielerorts stockt.

Besorgt blicken Unternehmerinnen und Unternehmer auch auf den Gasmarkt. Sie befürchten einen weiteren Anstieg der ohnehin schon hohen Preise und - schlimmer noch - Engpässe bei der Energieversorgung. München ist von russischem Gas abhängig; 36 Prozent der Erdöl- und Erdgasimporte Bayerns stammen aus Russland. Als Absatzmarkt spielen Russland und die Ukraine für die meisten Betriebe dagegen keine große Rolle.

Bei BMW in München steht kommende Woche die Produktion still, weil wegen des Kriegs Kabelbäume fehlen und es nach wie vor Engpässe bei Halbleitern gibt. Betroffen sind dort 7000 Beschäftigte. Ob es Kurzarbeit geben wird oder eine andere Lösung, wird gerade geprüft. Auch in Dingolfing wird die Autoherstellung in der kommenden Woche eingestellt, weil Teile aus der Ukraine fehlen. Zu Einschränkungen kommt es auch in den Werken Regensburg und Leipzig, wo nur noch eine Schicht arbeitet, und im österreichischen Steyr. Noch lasse sich nicht sagen, wo und wie lange die Produktion unterbrochen bleibt, sagt ein BMW-Sprecher. "Wir analysieren die Situation und sprechen mit unseren Lieferanten über mögliche Lösungen, um die Produktion schnellstmöglich wieder abzusichern", sagt er.

Andere Branchen trifft es derzeit nicht so hart wie die Autohersteller

Eigene Mitarbeiter hat BMW nicht in der Ukraine. In Russland gibt es eine Vertriebsgesellschaft, die zuletzt 49 000 Autos verkauft hat, und ein Werk in Kaliningrad. Sowohl die lokale Produktion dort als auch die Exporte nach Russland wurden bis auf Weiteres eingestellt. Der russische Markt machte keine zwei Prozent des gesamten Umsatzes aus.

Auch der Lkw-Hersteller MAN muss wegen fehlender Teile von Zulieferern aus dem Kriegsgebiet seine Produktion drosseln. Die Produktion im russischen St. Petersburg wurde ganz ausgesetzt, dort sind 70 Mitarbeiter beschäftigt. In den Werken München und Krakau würden Schichten gestrichen, sagt ein Sprecher. Zudem wurde aufgrund der geltenden Wirtschaftssanktionen die Lieferung von Lastwagen sowie Komponenten nach Russland und Belarus gestoppt.

Andere Branchen trifft es derzeit nicht so hart wie die Autohersteller. Wacker Chemie zum Beispiel macht nach eigenen Angaben weniger als zwei Prozent des Konzernumsatzes in allen GUS-Staaten zusammen. In Vertriebsbüros und technischen Laboren seien etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. "Im Moment spüren wir keine Einschränkungen durch Lieferengpässe", sagt ein Sprecher. Das könnte sich aber noch ändern: Wenn es bei den russischen Gaslieferungen zu massiven und länger anhaltenden Einschränkungen käme, würde dies die gesamte Chemieindustrie hart treffe. "Sorge bereiten uns die wegen der Krise stark gestiegenen Preise für Gas und Strom."

Der Anteil der Ukraine am bayerischen Außenhandel ist mit 0,3 Prozent recht gering

Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) hat für Firmen, die direkt von der Ukraine-Krise betroffenen sind, eine Taskforce eingerichtet. "Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse ist die Verunsicherung bei den Unternehmen extrem hoch. Neben der großen Sorge um die Energiepreise betrifft dies vor allem die rund 1200 in Russland und rund 500 in der Ukraine aktiven bayerischen Unternehmen", sagt Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. In Russland tätige Unternehmen benötigten jetzt schnell Klarheit über die Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Wirtschaftspolitisch müsse die Versorgungssicherheit mit Energie sowie die Senkung der Energiepreise "absolute Priorität" haben.

2021 stand Russland für 1,6 Prozent (3,1 Milliarden Euro) aller bayerischen Ausfuhren sowie 3,0 Prozent (6,3 Milliarden Euro) aller bayerischen Importe. Die Ukraine hat 2021 Waren im Wert von 705 Millionen Euro aus Bayern bezogen, in die Gegenrichtung betrug der Warenwert 475 Millionen Euro. Somit steht die Ukraine für 0,3 Prozent des bayerischen Außenhandels. Die drei wichtigsten Exportgüter in beide Länder aus Bayern sind Pkw und Autoteile, Maschinen sowie chemische Erzeugnisse.

Treffen wird der Krieg auch Hotellerie und Gastronomie in München. Touristen aus Russland haben vor Corona knapp zehn Prozent aller ausländischen Besucher ausgemacht. Bis 2019 waren sie - mit großem Abstand nach den USA und Asien - eine bedeutende Größe im München-Tourismus. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist der Markt aber sehr stark eingebrochen und hat bislang auch keine Zeichen der Erholung gezeigt.

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