Süddeutsche Zeitung

Tierpark Hellabrunn:Ein Killer heißt nicht Kurt

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Kurt und Else hießen die beiden verstorbenen Riffhaie in Hellabrunn. Dabei sollten die Raubtiere doch eher Namen wie Gangsta-Rapper tragen und nicht wie ein Rentnerehepaar.

Glosse von Stephan Handel

Manche Leute halten Zoos per se für Tierquälerei, andere sehen in ihnen wichtige Stätten des Arterhalts. Natürlich geht es den Tieren heute lange nicht mehr so wie Rilkes Panther, dem so war, als ob es 1000 Stäbe gebe, und hinter 1000 Stäben keine Welt - aber eingesperrt bleibt eingesperrt, und ob die Viecher wirklich glücklich sind, wird auf ewig ungeklärt bleiben. Ist ja überhaupt eine fast schon philosophische Frage, ob der Kurzohrrüsselspringer oder der Flinkwallaby überhaupt in der Lage sind, Freude oder ähnliches zu empfinden.

Trauer jedenfalls herrschte unter den dazu Fähigen diese Woche in Hellabrunn: Der letzte Schwarzspitzenriffhai musste eingeschläfert werden, wegen Altersschwäche. Nun soll über Verstorbene nichts Schlechtes gesagt werden, und Namenswitze sind sowieso grundsätzlich verboten. Aber wissen Sie, wie das Hai-Weibchen hieß? Else. Und ihr 2019 dahingeschiedener Hai-Gatte hieß Kurt.

Kurt und Else. Else und Kurt. Nicht nur, dass du als König der Meere, als Schrecken der Tiefsee dein Leben in einem zugegeben komfortablen Aquarium verbringen musst, nicht nur, dass du täglich von uninteressierten Schulklassen und verängstigten Kleinkindern angestarrt wirst - zuvor wirst du auch noch verhöhnt, indem du und der Mann auf Namen getauft werden, die eher zu einem Rentnerehepaar aus einem Heinz-Erhardt-Film passen.

Haie sollten gefährliche Namen haben, so wie Gangster-Rapper, die sich ja auch nicht Edeltraud oder Rüdiger nennen. Sharky, Killmachine, Jaw-sef, das sind angemessene Namen für die spitznasigen Fressmaschinen. Wer weiß - vielleicht hatte Elses schlechter Gesundheitszustand ja auch damit zu tun, dass sie von der mit ihr in dem Becken lebenden Netzmuräne und den ganzen kleineren Fischen ständig verspottet wurde, seit Kurt nicht mehr für Ordnung und Respekt sorgte? "Else, Else, keiner well'se", wer das Tag für Tag anhören muss, der kann schon trübsinnig werden.

Der Tierpark teilt mit, dass die Schwarzspitzen-Riffhaie nachbesetzt werden sollen und dass schon bald wieder Tiere dieser Art im Aquarium zu sehen sein werden. Bitte, bitte: Achtet bei der Auswahl auf vernünftige Namensgebung. Sonst wird der ganze Zoo bald eine Lachnummer, weil dort der Wolf Herzi, der Löwe Spatzerl, die Klapperschlange Beate, das Nashorn Speedy und der Elefant Federl nebeneinander wohnen. Da wäre wohl selbst Rilkes Panther Muschi depressiv geworden.

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