Süddeutsche Zeitung

Prozess:Mit Chauffeur zur Luxusimmobilie

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Der Angeklagte soll sich in teure Luxuswohnungen in Gegenden wie Schwabing oder Bogenhausen eingemietet und die Miete geprellt haben. Denn er hatte das Geld dafür nicht.

Von Susi Wimmer

München, das war schon immer auch die Stadt der Reichen und mehr oder weniger Berühmten. Eine Stadt des schönen Scheins, in der sich Betrüger wie Sebastian W. jahrelang mit mehr Schein als Sein ein Leben wie die Reichen gönnen konnte: Er prahlte mit seinem angeblich astronomisch hohen Einkommen, fuhr zur Besichtigung einer Luxus-Immobilie in Starnberg mit Chauffeur und Limousine vor, mietete Wohnungen in den exklusivsten Lagen - und soll Vermieter um mehr als 100 000 Euro geprellt haben. Nun sitzt W. vor der zwölften Strafkammer am Landgericht München I und sagt: gar nichts.

Sebastian W. verdeckt sein Gesicht, als er im Designer-Parka mit Fellkapuze den Gerichtssaal betritt. Richter Bernhard Geismar erklärt, dass zum Schutz des Angeklagten im Gerichtssaal eine Maskenpflicht bestehe. Der 35-jährige W. sei morgens im Gefängnis von einem medizinischen Sachverständigen untersucht worden, er sei verhandlungsfähig. In einer Lüftungspause tuscheln Gutachter und Verteidiger Manfred Huber am Gang. Unter welcher Krankheit Sebastian W. eigentlich leidet, will der Anwalt nicht sagen. Sein Mandant hüllt sich ohnehin in generelles Schweigen. Als Richter Bernhard Geismar ihn fragt, ob er sich zur Sache oder zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern wolle, schaut er nur schweigend und stur geradeaus.

Dafür hat die Staatsanwaltschaft Berge von Akten angesammelt, deren Rücken allesamt der Name des Angeklagten ziert. So saß Sebastian W. in Haft, weil er sich als Geschäftsführer einer Agentur mit Firmensitz an der Maximilianstraße ausgab und Kunden vorgaukelte, Websites oder Apps zu erstellen. Gegen Vorkasse. Letztendlich aber ohne Leistung. Dafür wurde er wegen Betrugs in 17 Fällen vom Amtsgericht München 2018 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ferner mietete er 2015 im Palais an der Oper ein Büro für gut 3100 Euro im Monat an. Er behauptete, er sei vermögend, verfüge über etliche Konten im Ausland, besitze eine Villa in Mondsee und so weiter. Laut Staatsanwaltschaft sei W. aber "weder willens noch in der Lage gewesen", den Zahlungen nachzukommen.

Zeitgleich mietete er im Palais eine 86 Quadratmeter große Galerie-Wohnung zum Preis von 3680 Euro im Monat. Die vermietete er auch noch über eine Internetplattform an Touristen unter - und betrog auch sie. Um überhaupt die Kaution für das Objekt stellen zu können, bediente er sich einer sogenannten Kautionsbürgschaft einer großen Versicherungsgesellschaft. Wie ein Mitarbeiter vor Gericht erklärte, könne man binnen Sekunden im Internet eine Vereinbarung schließen, dass die Versicherung für die Kaution bürgt, und der Kunde diese in Beiträgen bei der Versicherung abbezahlt. Sechsmal hintereinander schloss W. solche Bürgschaften ab - und zahlte nur einen geringen Teil der Beiträge oder gar nicht. Bei der Versicherung fiel das nicht auf. Man könne aus Datenschutzgründen die einzelnen Anträge nicht miteinander abgleichen, erklärte der Mitarbeiter. "Wir haben 3000 Anträge im Monat für dieses Produkt bei einem durchschnittlichen Jahresbeitrag von 90 Euro", führte er an. "Da soll möglichst wenig manuell nachbearbeitet werden, das ist ein Massenprodukt."

Das "Massenprodukt" war es denn auch, das in sechs Fällen einsprang und den Vermietern zumindest die Kautionsleistung erstattete. Bis Anfang 2017 hatte sich Sebastian W. in netten Gegenden wie Schwabing, Starnberg (ein 3-Etagen-Wohnhaus für knapp 10 000 Euro monatlich) oder Bogenhausen eingemietet und die Miete geprellt. Teilweise monierte er Mängel an den Wohnungen und erklärte so seine ausstehende Miete, oder er gab Krankheiten oder Tagesüberweisungslimits vor. Der Prozess wird am heutigen Dienstag fortgesetzt.

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SZ vom 09.02.2021
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