Süddeutsche Zeitung

Schule und Kita:Energie sparen im Klassenzimmer - ohne zu frieren

Lesezeit: 3 min

Auch Schulen und Kitas sollen Energie sparen. Derzeit gibt es aber keine Pläne, flächendeckend Heizungen runterzudrehen. Wie man trotzdem den Verbrauch senken kann, zeigen die "Energiesparfüchse" an einer Münchner Schule.

Von Kathrin Aldenhoff

Die Schülerinnen und Schüler der Mathilde-Eller-Schule wissen, wie das geht: Energiesparen. Seit 15 Jahren lernen Kinder dort, wie sie Heizungen regulieren, wie sie im Alltag Strom sparen, wie Energie erzeugt wird, und vor allem: was das Klima und sie selbst von all dem haben. Lehrer Siegfried Grob leitet das Projekt Energiesparfüchse, für das die Schule mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, zum Beispiel vom Bundespräsidenten und der Deutschen Unesco-Kommission. Als die Schule vor zehn Jahren eine Photovoltaikanlage auf dem Dach wollte, musste sie noch dafür kämpfen. Heute ist das in München Standard bei Schulneubauten.

"In den ersten vier Jahren des Projekts haben wir nur über das Regulieren der Heizungen 480 000 Kilowattstunden Wärme eingespart", berichtet Grob. "Gefroren hat trotzdem niemand." Das Konzept für das Energiesparprojekt hat er selbst geschrieben, zum damaligen Zeitpunkt gab es keines für Förderschulen. Denn auch das ist besonders an dem Projekt: An der Schule lernen Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung. "Unsere Schüler lernen übers Handeln, die Theorie kommt danach", sagt Grob. Auf den Fluren, in Turnhallen und Toiletten haben die Kinder die Thermostate herunter gedreht, haben im Winter die Fenster im Gang geschlossen und wöchentlich die Heizungen kontrolliert.

Die Mathilde-Eller-Schule ist eine von 130 Schulen und Kitas in München, die sich am Projekt "Fifty-Fifty" der Stadt beteiligen. Einen Teil der Energiekosten, die sie einsparen, bekommen sie als Prämie zurück. Insgesamt 130 Einrichtungen - das klingt nach viel, ist es aber nicht wirklich, schließlich gibt es in München rund 360 öffentliche Schulen und 1450 Kitas.

Energiesparen, das ist aktuell noch bedeutender als sonst. Im Juli hat Oberbürgermeister Dieter Reiter die städtischen Referate beauftragt, den Verbrauch zu reduzieren. Das Referat für Bildung und Sport (RBS) hat eine Informationskampagne gestartet, die sich an Schulen, Kitas und Vereine richtet. Auf einer Internetseite finden sich Projekte, Tipps und Hinweise. Schulen sollen zum Beispiel darauf achten, dass Räume nicht überheizt werden. Wo es vertretbar sei, könne die Raumtemperatur auch gesenkt werden. "Schon eine um ein Grad Celsius erhöhte Raumtemperatur führt zu einem Mehrverbrauch an Heizenergie von bis zu sechs Prozent."

Während der Schulferien wurde an den städtischen Schulen die Warmwasserversorgung abgestellt - wenn dadurch keine Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche beeinträchtigt waren, wie ein Sprecher des RBS mitteilt. Im Moment gebe es aber "keine Planungen, Klassenzimmer, Kitaräume, Schulturnhallen oder Sporträume anders zu heizen oder die Wassertemperatur von Schulschwimmbecken zu verringern". Was die Nutzung der Luftfiltergeräte in den Klassenzimmern angeht, schließe sich das RBS den jüngsten Empfehlungen des Umweltbundesamtes an: In der aktuellen Energiekrise soll die Nutzung in Schulen auf das Nötigste beschränkt werden, der Einsatz soll auf "hygienisch notwendige Situationen" begrenzt bleiben. Die Klassenzimmer sollen weiterhin regelmäßig gelüftet werden.

Die Energiesparfüchse an der Mathilde-Eller-Schule beschäftigen sich vier Schulstunden pro Woche mit dem Thema, sie messen Temperatur und Lichtstärke, üben das richtige Lüften, montieren Leuchtstoffröhren über Spiegeln ab - und stellen ihre Ergebnisse dann den Schülerinnen und Schülern anderer Klassen vor. "Der Energieverbrauch ist ein wichtiges Thema für alle, denn unsere Schülerinnen und Schüler werden später im Alltag wenig Geld zur Verfügung haben", sagt Projektleiter Grob.

Jedes Jahr spart die Schule durchschnittlich 40 Tonnen CO₂. Und seitdem die Photovoltaikanlage auf dem Schuldach Strom erzeugt, sind es noch einmal sechs Tonnen CO₂ weniger. Hunderttausende Kilowattstunden Wärme und Strom habe man schon eingespart - und so über das Projekt "Fifty-Fifty" bisher mehr als 10 000 Euro Prämie erhalten. Wobei: Derzeit können die Schulen nur auf die Prämie aus dem vergangenen Jahr zugreifen. Die Prämien aus vorherigen Jahren, die bisher noch nicht ausgegeben wurden, können derzeit nicht abgerufen werden. Der Grund: die angespannte Haushaltssituation und generelle Sparvorgaben, wie ein Sprecher des RBS mitteilt. Das Thema werde derzeit geklärt, man werde wieder auf die Schulen zugehen.

"Die Kinder sollen nicht in Wintermänteln im Klassenzimmer sitzen müssen."

Während die Stadt also Energiespartipps veröffentlicht, sorgen sich manche Eltern, dass es in den Schulen und Horten ungemütlich werden könnte. "Schulen sind ein wichtiger Ort der Integration und Bildung. Wir sollten unseren Kindern den Schulalltag so angenehm wie möglich machen", sagt Daniel Gromotka. Er ist Vorsitzender des gemeinsamen Elternbeirats der städtischen Horte und Tagesheime in München und warnt davor, an Schulen und Kitas um jeden Preis Energie sparen zu wollen. "Lehrer sollten jetzt nicht anfangen müssen, den Mangel zu verwalten. Und die Kinder sollen nicht in Wintermänteln im Klassenzimmer sitzen müssen."

Natürlich sei es wichtig, darauf zu achten, dass Energie nicht verschwendet wird und dass die Einrichtungen modernsten Standards entsprechen. Gromotka wünscht sich außerdem einen Notfallplan für Schulen, Kitas und Horte für den Fall, dass es zu Stromausfällen oder Gas-Engpässen kommt.

Langfristig liefere der Schulbau einen Beitrag zum Einsparen von Energie und Klimaschutz, heißt es aus dem RBS, mit Photovoltaikanlagen und energieeffizienten Gebäudehüllen. Zur Wärmeversorgung setze man erneuerbare Energien ein, so würden die neuen Gebäude die gesetzlichen Mindestanforderungen im Mittel um fast 40 Prozent unterschreiten.

Dass Energiesparen sich auszahlt, merken die Schülerinnen und Schüler der Mathilde-Eller-Schule schon lange. Sie finanzieren mit dem Geld aus dem Fifty-Fifty-Projekt zum Beispiel den Umstieg auf Bio-Essen im Schülercafé, sie pflanzen Bäume und kaufen einen Kicker, wenn das Schülerparlament das beschließt. Und die Energiesparfüchse und ihr Lehrer gönnen sich davon einen Restaurantbesuch - "etwas, das sich die Kinder sonst nicht leisten könnten", sagt Grob.

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