Süddeutsche Zeitung

FDP-Politiker Thomas Sattelberger:Der leise Rückzug des Poltergeists

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Der Liberale Thomas Sattelberger, Staatssekretär im Bildungsministerium, gibt Posten und Mandat wegen Krankheitsfällen im Umfeld auf.

Von Heiner Effern

Der Abschied aus der Politik kam für den "Poltergeist", wie ihn die Zeit in einem Portrait einmal nannte, viel schneller als gedacht. Und er gerät viel leiser, als es zu einem Abgeordneten mit dieser Persönlichkeitsbeschreibung passt. Der FDP-Politiker Thomas Sattelberger gab Ende vergangener Woche bekannt, dass er sich von seinem Amt als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung zurückziehen wird. Gerade mal ein halbes Jahr wird er diesen Posten dann bekleidet haben. Auch sein Mandat im Bundestag wird er niederlegen. "Zwei schwere Krankheitsfälle im familiären Umfeld" bewögen ihn dazu, sagte er am Dienstag darauf am Telefon. Seit etwa drei Monaten habe sich die Situation zugespitzt, nun habe er die "bittere" Entscheidung treffen müssen.

Bis zur Sommerpause wird er noch als Abgeordneter tätig sein

Damit verliert München seinen einzigen Vertreter im Bundestag, der eine herausgehobene Position in der Ampel-Regierung in Berlin inne hatte. Noch arbeitet der 72 Jahre alte Sattelberger als Staatssekretär, bis er in den kommenden Tagen seine offizielle Entlassungsurkunde erhält. Bis zur Sommerpause werde er noch als Abgeordneter tätig sein, sagte Sattelberger. Er will und kann sich nun die Zeit nehmen, die er seinem privaten Umfeld widmen möchte. Der Münchner FDP-Chef Michael Ruoff hat "volles Verständnis" für diese persönliche Entscheidung. Die Liberalen in der Stadt, aber auch im Bund müssten aber einen "schmerzlichen Verlust" hinnehmen.

Der Politiker Sattelberger passt wie der Mensch Sattelberger und auch der Ex-Topmanager Sattelberger in keine einfache Schablone. Seine politische Karriere begann er zu einem Zeitpunkt, an dem andere Vorstände endgültig ihren Lebensschwerpunkt von der Konzernzentrale auf den Golfplatz verlegen. 2012 wechselte er als Personalvorstand der Telekom mit 62 Jahren nach einer Karriere in verschiedenen Dax-Unternehmen in den "aktiven Unruhestand", wie er es selbst nannte.

In den drei Jahren danach bekannte er sich erstmals öffentlich zu seinem langjährigen Partner und heutigen Mann Steven und trat in die FDP ein. 2017 kandidierte er im Münchner Süden für den Bundestag, über einen guten Listenplatz gelang ihm auf Anhieb der Einzug ins Parlament.

Bildung und Forschung wie auch die Digitalisierung waren dort die Themen, denen er von Anfang sein "Herzblut und seine Leidenschaft" widmete, sagt er. 2021 schaffte er wieder den Sprung nach Berlin und hüpfte dann gleich weiter hoch auf den Posten des parlamentarischen Staatssekretärs. Warme Worte von Vorgesetzten gibt es bei Abschieden meist, die von Ministerin Bettina Stark-Watzinger klingen nach mehr als Pflicht. Sattelbeger habe "in kürzester Zeit vieles angestoßen", schreibt sie in einer Mitteilung. Sie schätze ihn "als inspirierenden Experten und Mensch sehr".

Er gilt als der erfolgreichste deutsche Politiker auf TikTok

Dass er auch poltern kann, bewies Sattelberger in diesem Winter. Der ehemalige Siemens-Chef Joe Kaeser hatte ihn nach einem zufälligen Treffen in einem Flugzeug mit CSU-Abgeordneten, die dort Interna ausgetauscht haben sollen, in einen Topf geworfen und in den sozialen Medien zusätzlich darüber gelästert, dass er "flache Kolumnen in Boulevard-Magazinen" verfasst habe. Gemeint waren Sattelbergers Beiträge im Manager Magazin. Sattelbergers Replik geriet saftig. "Was flacher war, Ihre Verbeugung vor Trump und Putin oder meine Essays im Manager Magazin mögen andere beurteilen. Aber ich verbitte mir die ehrenrührige Behauptung, ich hätte Internas ausgetauscht. Das mögen die CSU'ler gemacht haben, ich saß schweigend auf meinem Sitz."

Um eine Äußerung in sozialen Medien war und ist Sattelberger ohnehin nicht verlegen. Der 72 Jahre alte Abgeordnete gilt als der erfolgreichste deutsche Politiker auf der Internet-Plattform TikTok. Eine Agentur hilft ihm dabei, er räumte Anfang Januar in der SZ ein, dass er nicht alles auf der Plattform verstehe. Sehr wohl ist ihm aber klarer als vielen Kollegen, welchen Wert eine Präsenz dort hat. Vieles von dem wird nun ruhen müssen oder kürzer kommen, doch eines verspricht er: "Ich werde weiter politisch aktiv sein. Ich bin hellwach."

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