Süddeutsche Zeitung

Münchner Nahverkehr:So teuer werden die MVV-Tickets

Lesezeit: 3 min

Die Fahrpreise steigen um fast sieben Prozent. Was Einzelfahrscheine, Streifenkarte und Monatskarte künftig kosten.

Von Andreas Schubert

Es ist gekommen, wie bereits erwartet: Bus- und Bahnfahren wird in und um München deutlich teurer. Am Freitag haben die Gesellschafter des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) einstimmig eine Fahrpreiserhöhung von durchschnittlich 6,9 Prozent zum Fahrplanwechsel im Dezember beschlossen.

Die Preissteigerung ist die höchste seit fast 30 Jahren: 1993 mussten Fahrgäste 12,5 Prozent mehr zahlen. Zuletzt über mehr als fünf Prozent wurde der Tarif im Jahr 2001 erhöht. In den vergangenen Jahren dagegen stiegen die Preise eher moderat: 2021 um 3,7 Prozent teurer und 2020 um 2,8 Prozent. 2019 sanken sie mit der Tarifreform sogar um durchschnittlich sieben Prozent.

Doch eine Nullrunde oder gar Preissenkung können sich die Verkehrsunternehmen im MVV unter den derzeitigen Bedingungen nicht leisten. Laut MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch bräuchten die Verkehrsbetriebe eigentlich eine Erhöhung um bis zu 22 Prozent. "So sehr auch ein Nachfolgeangebot zum Neun-Euro-Ticket aktuell die Diskussion um die ÖPNV-Tarife in Deutschland beherrscht, so sehr spüren auch wir ganz aktuell die Anstiege der Energie- und Treibstoffpreise und müssen entsprechend handeln", sagt Rosenbusch. Die angespannte Personalsituation und die Corona-Pandemie mit dem damit einhergehenden Einbruch der Fahrgastzahlen täten ihr Übriges.

Die Verkehrsbetriebe hoffen auf Geld von Bund und Ländern

Ingo Wortmann, Geschäftsführer der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) erklärt, für alle, die die Preissteigerungen der vergangenen Wochen und Monate beobachtet hätten, komme das nicht überraschend. "Mit dem heutigen Beschluss haben wir nur einen Teil unseres Bedarfs gedeckt. Man setze nun auf den Bund und die Länder, dass diese erheblichen Mehraufwendungen über eine Erhöhung der sogenannten Regionalisierungsmittel ausgeglichen werden. Diese werden dazu genutzt, den öffentlichen Nahverkehr am Laufen zu halten. "Wir wollen unser Angebot nicht einschränken müssen, sondern mindestens halten und perspektivisch möglichst ausbauen", so Wortmann.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der auch Vorsitzender der MVV-Gesellschafterversammlung ist, teilte nach der Sitzung mit, er hätte sich gewünscht, dass der Bund und die Länder im Anschluss an das Neun-Euro-Ticket eine ebenso einfache und möglichst günstige Nachfolgeregelung gefunden hätten. "Das ist leider derzeit nicht in Sicht", so Reiter. "Umso bitterer ist es, dass wir heute Tarifsteigerungen beschließen mussten."

Manuel Pretzl, Chef der CSU-Stadtratsfraktion, verweist darauf, dass die CSU bereits ein 365-Euro-Ticket für alle gefordert habe, was an der grün-roten Rathausmehrheit gescheitert sei. Er bezeichnete die Erhöhung als "bittere Pille für alle Fahrgäste, die ohnehin schon mit hohen Zusatzkosten in allen Lebensbereichen kämpfen". Angebotskürzungen kämen für ihn aber nicht infrage, so Pretzl.

Der Fahrgastverband Pro Bahn übt scharfe Kritik

Das betont auch Grünen-Verkehrsexperte Paul Bickelbacher. Er hätte sich erhofft, dass Studierende für ihre Isarcard-Semester nicht mehr ausgeben müssen. Die kostet aber künftig 224,30 Euro, das sind 15 Euro mehr als bisher. "Immerhin bleibt die Tariferhöhung unter der Inflationsrate." Erfreulich findet er, dass das Sozialticket und das 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende nicht teurer wird.

"Tariferhöhungen sind ein schwerer Schritt, gerade in der jetzigen Zeit", sagt Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der Rathaus-SPD. Gradl ist aber zuversichtlich, dass es 2023 mit einem Neun-Euro-Nachfolgeticket zu einer deutlichen Preisreduzierung für Stammkunden kommen wird. "In München würden 17 von 29 Angeboten um bis zu 100 Euro im Monat günstiger", rechnet er vor. Aber die Einführung in Bayern scheitere bisher an der regierenden CSU.

Scharfe Kritik übt Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn. Lautstark fordere die Landesregierung zwar ein 365-Euro-Ticket für alle, in der Umsetzung würden dann Fahrpreise weitaus stärker erhöht als früher üblich. "Dies konterkariert die Bemühungen um die Verkehrswende", so Barth. Die Politik müsse sich ihrer Verantwortung für den Öffentlichen Nahverkehr als Standortvorteil bewusst werden. "Während Straßen aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden, wird beim Öffentlichen Nahverkehr den Fahrgästen tief in die Tasche gelangt - und auch die Inflation getrieben." Die Kosten der Verkehrsunternehmen für ein besseres Angebot müssten natürlich finanziert werden. "Wenn die Verkehrswende ernst gemeint ist, muss das aber aus dem allgemeinen Haushalt erfolgen."

Die neuen Ticketpreise nach dem Fahrplanwechsel

(Auszug, alte Preise in Klammern)

Einzelfahrschein Zone M/2 Zonen: 3,70 Euro (3,50).

Einzelfahrschein Kurzstrecke: 1,90 Euro (1,80).

Streifenkarte: 16,30 Euro (15,20)

Streifenkarte U21: 8,90 Euro (8,30)

Tageskarten

Single Zone M/2 Zonen: 8,80 Euro (8,20)

Kinder: 3,50 Euro (3,30)

Fahrrad: 3,30 Euro (3,10)

Gruppe Zonen M-5: 27,80 Euro (25,70)

Wochenkarten

Zone M/ 2 Zonen: 20,20 Euro (18,60)

Zonen M-5: 68,60 Euro (63,10)

Monatskarten:

Zone M/2 Zonen: 63,20 Euro (59,10)

9Uhr Zone M/2 Zonen: 56,30 Euro (52,80)

9Uhr Zonen M-5: 89,50 Euro (83,90)

65 Zone M/2 Zonen: 52,70 Euro (49,50)

65 Zonen M-5: 78,70 Euro (73,80)

365-Euro-Ticket

Die Jahreskarte für Schülerinnen und Schüler sowie Azubis bleibt bestehen und kostet unverändert 365 Euro. Das Ticket wird weiterhin mit monatlicher Abbuchung oder jährlicher Zahlung ausgegeben.

Sozialticket

Die Preise für die Isarcard S in den unterschiedlichen Zonen bleiben unverändert. Innerhalb Münchens etwa kostet das Monatsticket 31,10 Euro. Berechtigt sind die Inhaberinnen und Inhaber eines München-Passes oder eines Landkreis-Passes im Landkreis München, Bad Tölz-Wolfratshausen, Ebersberg, Erding, Freising, Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg.

Ausführliche Informationen zu allen neuen Fahrpreisen sind demnächst auf der Internetseite mvv-muenchen.de zu finden.

Die neuen Tarife gelten grundsätzlich zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember. Die bis zum 10. Dezember erhältlichen günstigeren Einzel-, Tages- oder Streifenkarten können bis 31. März 2023 aufgebraucht werden. Danach können sie gegen Aufpreis umgetauscht werden. Bei Wochen- und Monatskarten gilt der neue Preis zum 11. Dezember, im Ausbildungstarif zum 12. Dezember. Monatliche Abos werden zum 1. Januar 2023 umgestellt, Jahresabos zu Beginn des neuen Abrechnungsjahres.

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