Süddeutsche Zeitung

Kritik:Wein und Wasser

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Beim Konzert der "Bright Eyes" kämpft Conor Oberst mit sich, der Technik und dem Auftritt.

Von Anna Weiß

Conor Oberst hat den Ruf, ein schräger Typ zu sein. Diesem macht der Gründer und Frontmann des Bandprojekts Bright Eyes, mit dem er am Freitag in der Muffathalle gastiert hat, zu Beginn des Konzerts alle Ehre. Die Haare hängen ihm in die Augen. Unter dem knielangen, weißen Hemd lugen Jeans hervor. Der erste Song "Dance and Sing" ist vom aktuellen, lang erwarteten Album "Down in the Weeds, where the World once was". In dem Stück geht es um die kaputte Welt, durch die man tanzen muss. Auch Oberst tanzt, fuchtelt, es sieht wild aus.

Der 42-Jährige ist eine Indierock-Ikone. Diesen Status erreichte er mit viel Gespür für Songwriting und seiner einzigartigen Stimme, in deren bewusstem Zittern die Möglichkeit eines jederzeit ausbrechenden Gefühlsvulkans innewohnt. Doch beim Konzert röhrt er meistens über die Musik, die seine große Showband spielt. Alle hauen tüchtig rein, es wirkt überkompensierend. Die Moderationen zwischen den Songs sind wirr, Oberst spricht oft von seiner Tourmanagerin: sie habe ihm Wein auf der Bühne erlaubt, wenn er dazu Wasser trinke. In der Vergangenheit hat er Schlagzeilen mit Problemen privater und alkoholischer Art gemacht. Bei einem Auftritt dieser Tour in Amerika verließ er nach zwei Songs die Bühne. In München stellt sich die Frage, ob es fair ist, jemanden in dieser Verfassung auftreten zu lassen. Man hat Mitleid.

Mal singt ein Musiker "Nobody cares", in eine von Obersts immer länger werdende Ansprachen, mal ruft ihm ein Fan "Drink some Water!" aus dem Publikum zu, mal kämpft Oberst mit der Technik. Irgendwann geht erst die Band, dann er. Verwirrung in der Halle, war's das schon? Doch alle kommen zurück, Oberst nun im Shirt, versucht es nochmal. Er schlägt sich wacker. Der herzzerreißende Hit "First Day Of My Life", von Fans sehnlichst erwartet, kommt schräg daher. Beim letzten Song nimmt die Backgroundsängerin ihm das Mikro ab, sie singen kurz zusammen, er geht ab. Mit Wein und Wasser in der Hand.

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