Alben der Woche:Eine voluminös geföhnte Scheußlichkeit

"The Killers" liefern wieder auftoupierte Synthies und schultergepolsterte Drums. Herrlich! Conor Oberst ist älter geworden - aber nicht weniger selbstmitleidig. Und "The Notwist" sind auch zurück.

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Davina Michelle

Quelle: BMG

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Davina Michelle - My Own World (BMG)

In den Niederlanden ist Michelle Davina Hoogendoorn alias Davina Michelle längst ein Star. Das Album "My Own World" (BMG Music) soll die 24-jährige Pop-Sängerin aus Rotterdam jetzt auch anderswo bekannt machen. Das Album klingt bloß leider so, als hätten zehn hochkarätig besetzte Songwriter-Camps den perfekten zeitgenössischen Power-Pop-R&B-Mix aus Alicia Keys, Adele, Sia und Pink ausknobeln wollen. Wobei: Im Song "Hollow" geht es um eine Beziehung zu einer Person mit Borderline-Störung. Das Stück beginnt mit der schönen Zeile "You called me your heart attack / I called you my aphrodisiac". Lyrischer Pfiff findet sich also durchaus in dieser Glutamat-Pop-Soße - wenn man genauer hineinhört.

Jan Kedves

Bright-Eyes

Quelle: Dead Oceans

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Bright Eyes - Down In The Weeds, Where The World Once Was (Dead Oceans)

Ach, wie werden die Fans von Conor Oberst es vermisst haben: dieses selbstmitleidig-angriffslustige Zittern in der Stimme, das selbst im Alter von 40 Jahren noch adoleszent klingt und doch immer auch ein bisschen ans Meckern einer Ziege erinnert. Der Sänger der Band Bright Eyes aus Omaha, Nebraska, zelebriert seinen Gesangsstil wieder auf dem neuen, elften Album "Down In The Weeds, Where The World Once Was" (Dead Oceans). Er hat die Folk-Pop-Lieder teilweise sehr sinfonisch, fast pompös arrangiert, und - vorausgesetzt, Oberst singt über sich selbst: Er scheint zuletzt einige gesundheitliche Probleme gehabt zu haben. In dem hochpathetischen Song "To Death's Heart (In Three Parts)" singt er, er sei auf der Suche nach Heilung in ein Flugzeug gestiegen, um den Vatikan zu besuchen, und dort habe der Papst an einem langen heißen Sonntag "Benedicite, Benedicite" zu ihm gesagt. Das Wort "Vatican" singt Oberst dabei so, dass es beinahe nach "Wädi-tschähn" klingt, mit einem Zischen auf dem "c" wie in Benedicite.

Jan Kedves

The Killers - 'Imploding the Mirage'

Quelle: dpa

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The Killers - "Imploding the Mirage" (Island/Universal Music)

Bevor die Frage überhaupt auftaucht, gleich die Gegenfrage: Ja glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass man eine der größten Rockbands des 21. Jahrhunderts werden (und bleiben) kann ohne den ganzen Pathos-Zirkus? Ohne das Klischee-Karussell, den Größenwahn, die Clownerie? Himmel, ja: "Imploding the Mirage" (Island/Universal Music) ist wieder ein typisches Killers-Album. Ein übertypisches wohl sogar. Alles ist da: die auftoupierten Synthies. Die schultergepolsterten Drums. Die metallicfarbenen Gitarrenlicks und auf High Heels aufgebockten Melodien. Es ist eine einzige voluminös geföhnte Scheußlichkeit. Und darin doch auch wieder ziemlich herrlich.

Jakob Biazza

Bebel Gilberto

Quelle: Pias

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Bebel Gilberto - Agora (Pias)

Herrlich, wie Bebel Gilberto sich mit ihrer Schlummerlied-Stimme in ein Bett aus weichen kühlen Bässen legt. Das neue Album der brasilianischen Sängerin, "Agora" (Pias), ist genau das, was man jetzt, da die Nächte zu heiß zum Einschlafen sind, gut gebrauchen kann. "Jetzt", "nun", "soeben" lautet der Titel übersetzt, und den Titelsong lässt die Tochter der Bossa-Nova-Legende João Gilberto und der in Brasilien ähnlich legendären Sängerin Miúcha mit Pizzicati auf verstimmten Celli beginnen. Musik von höchster Feinfühligkeit, die Gilberto mit einem bittersüßen Lächeln und hypnotischen Percussionen garniert. Ein bisschen Bossa-Trip-Hop-Feeling kommt dabei auch auf, nun ja, aber allzu seichte Lounge-Klischees durchkreuzt Gilberto mit viel Luft zwischen den Sounds und mit rhythmischer Komplexität. "Yet Another Love Song" zum Beispiel beginnt mit einem Fünf-Achtel-Samba-Swing, ein Rhythmus, der an sich schon leicht desorientierend wirkt. Darüber zählt sie dann auf Englisch und Portugiesisch von Null aufwärts, in einem wiederum ganz eigenen Tempo. Schöner könnte man die Startschwierigkeiten beim Sich-aufeinander-Einschwingen, wobei auch immer, kaum illustrieren.

Jan Kedves

The Notwist

Quelle: Morr Music

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The Notwist - Ship EP (Morr Music)

Die Brüder Markus und Micha Acher aus Weilheim sind seit 1989 Chefs der Band The Notwist und als solche deutsche Indiepop-Stars. Als Ausblick auf ein neues Album veröffentlichen sie ihre sehr gelungene EP "Ship" (Morr Music). Das Titelstück klingt deutlich nach Can, also nach krautigem Dub-Rock, total locker und doch auch voller Binnenspannung. Im Hintergrund pulst ein Acid-Sound durch, und scharfe Gitarren-Riffs, die zugleich irgendwie wattiert klingen, durchschneiden den Groove. Die Frauenstimme, die dazu hohe Melodien in die Echoschleifen singt - das ist Saya Ueno von der japanischen Band Tenniscoats. Hübsch. In "Loose Ends" summt dann Markus Acher in einen anschwellenden Drone hinein, danach kippt der Song in eine kleine Indie-Rock-Meditation über Gleise und Geländer, die scheinbar ins Leere laufen - oder doch immer wieder im Kreis zurückführen? Wer weiß das schon so genau.

Jan Kedves

Rockband The Killers

Quelle: dpa

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Pathos-Zirkus? Klischee-Karussell? Größenwahn? Clownerie? Ja, was denn sonst?! The Killers - aus Las Vegas übrigens. Woher auch sonst?

© SZ.de/tmh
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