Süddeutsche Zeitung

Film "Nicht ganz koscher":Sag niemals nie zur Utopie

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Die Culture-Clash-Komödie "Nicht ganz koscher" soll unterhaltsam zur Völkerverständigung beitragen. Doch der Weg der Münchner Produktion ins Kino war steinig, und es gab auch kulturelle Differenzen.

Von Anna Steinbauer, München

Alles begann mit dem Boot in der Wüste. Mitten im Sinai stand es auf dem Trockenen und trug die Aufschrift "No Name Restaurant". Vor mehr als 20 Jahren entdeckte der Filmemacher Stefan Sarazin auf einer Reise das gestrandete Schiff, das ihm fortan Rätsel aufgab: Wie war es dorthin gekommen und welche Geschichte stand dahinter? Inspiriert von diesem zufälligen Wüstenfund entwickelte er 2010 gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Keller die Idee zum Film "Nicht ganz koscher - Eine göttliche Komödie", der nun im Kino zu sehen ist.

Bis dahin galt es, eine lange Durststrecke zu überwinden: 2011 bekamen die beiden Filmemacher zwar den Deutschen Drehbuchpreis für die Komödie über die unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft eines orthodoxen Juden und eines Beduinen, die einander in der Wüste begegnen, die Umsetzung des Filmes jedoch scheiterte zunächst. Erst 2016 beschloss der Produzent Fritjof Hohagen von Enigma Film, sich für das Projekt einzusetzen und es zu realisieren - "ein Marathonlauf", wie dieser das Unterfangen vom Ursprungsgedanken über den Dreh bis zur Fertigstellung in der Corona-Zeit beschreibt. Im Mai 2022 bescherte die Komödie Hohagen den Bayerischen Filmpreis in der Kategorie Produktion.

Im Film treffen sich der orthodoxe Jude Ben und der Beduine Adel in der Wüste. Ben will den Verkupplungsversuchen seiner Sippe entgehen und erklärt sich bereit, die jüdische Gemeinde in Alexandria zu retten, denen der zehnte Mann fehlt, um das Pessachfest zu feiern. Nachdem er mitten im Nirgendwo gezwungen wird, aus dem Bus zu steigen, trifft er auf den mürrischen Adel, der sein Kamel sucht. Die unterschiedliche Herkunft der beiden stellt ihre Toleranz auf die Probe und macht sie zu Reisegefährten, die schon bald um ihr Überleben kämpfen müssen und Besseres zu tun haben, als die Vorurteile des Gegenüber zu erfüllen.

",Nicht ganz koscher' bot die Möglichkeit, ein relevantes Thema auf leichtere Art zu erzählen", sagt Hohagen über den Reiz des Projektes für ihn. Der Produzent, hatte 2007 das Drama "Fata Morgana" mit Matthias Schweighöfer in Marokko gedreht und war schon "sehr wüstenerfahren und -geschädigt, aber eben auch begeistert", wie er es im Interview formuliert. Diese Erfahrung und seine Hands-on-Mentalität kamen dem Film zugute, dessen wichtigste Protagonisten zwei Männer vor und zwei hinter der Kamera waren.

In Wadi Rum wurden auch "Lawrence von Arabien" und "Dune" gedreht

Die Dreharbeiten fanden in Israel, Palästina und Jordanien statt. Das "Herzstück des Films", wie Hohagen die Wüstenszenen nennt, wurde im jordanischen Wadi Rum realisiert - ein Ort, der mit seinen rötlichen Gesteinsformationen nicht nur wunderschöne Landschaftsaufnahmen ermöglicht, sondern auch von großer filmhistorischer Bedeutung ist: Hier wurden einst "Lawrence von Arabien" und "Der Marsianer" gefilmt, parallel drehte dort das Team um Regisseur Denis Villeneuve zur selben Zeit den Scifi-Film "Dune".

Hohagen und sein international zusammengewürfeltes Team drangen für zwei Wochen tief ins Beduinengebiet ein, wo sie auch in Beduinenzelten wohnten - ohne Klimaanlagen und Einzelduschen. "Logistisch war das eine wahnsinnige Herausforderung", erzählt der Produzent. "Wir waren dort, wo es keine Straßen mehr gab und alles mit Beduinenjeeps herangeschafft werden musste. Zudem konnte es leicht passieren, dass man sich verirrte, weil es auch keinen Handyempfang mehr gab." Dazu kamen kulturelle Differenzen: "Wir hatten ein Team aus jüdischen, arabischen und christlichen Schauspielern und Mitarbeitenden. Tatsächlich haben wir es uns vorher einfacher vorgestellt, mit unserem Projekt Völkerverständigung zu stiften. Am Ende hat sich alles positiv aufgelöst, aber es gab durchaus kulturelle Hürden, die man überwinden musste", so Hohagen.

Im der amüsanten Culture-Clash-Komödie wird in märchenhafter Überhöhung davon erzählt, wie Begegnung und Kommunikation den ersten Schritt zu Verständnis und Toleranz schaffen kann. "Der Film löst natürlich nicht den Nahost-Konflikt, er ist eine Parabel auf Konflikte überall in der Welt. Er entwirft die Utopie, dass Verständnis oder sogar Annäherung möglich sind, wenn Feinde sich begegnen und miteinander reden", sagt der Produzent. Obwohl er in Nahost spielt, strahlt der Film eine universelle Gültigkeit aus, die durch den Ukrainekrieg eine traurige Aktualität bekommt.

Das Vorhaben Hohagens, eine Komödie der leisen Töne für ein breites Publikum zu erzählen geht voll auf: "Gerade in einer Zeit, in der viele Ängste habe und belastet sind und sich mit harten Dramen nicht unbedingt auseinandersetzten möchten, wollten wir eine Form wählen, die unterhaltsam ist und ein gewisses Augenzwinkern besitzt", so der Produzent. Da ist auch der Aufwand gerechtfertigt, ein echtes Boot aus Akaba in Jordanien in die Wüste schleppen zu lassen. Das hätte Hohagen eigentlich gerne dort stehen lassen. Zu sehen ist es aber nur noch auf der Leinwand.

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