Süddeutsche Zeitung

Stadtratsergebnis:München muss umdenken

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Die Kommunalwahl war auch eine Klimawahl. Als nun stärkste Kraft im Stadtrat werden die Grünen darauf bestehen, die Umweltpolitik weiter oben anzusiedeln als bisher.

Kommentar von Thomas Anlauf

Die Kommunalwahl, ist das eigentlich noch wichtig? Denn München macht ja nun dicht: Das Coronavirus zwingt die Stadt, das Land und die ganze Welt zum Luftanhalten. Es ist zwar keine Apokalypse, die über uns hereinbricht, aber eine globale Warnung. Das leichte Leben, von München mal kurz nach Mallorca zu fliegen, fette Partys in Clubs zu feiern, das ist erst mal Geschichte.

Aber ja, die Kommunalwahl in München ist genau deshalb wichtig. In diesen verstörenden Tagen haben die Münchner trotzdem gewählt, sie haben ihre Stimme für den künftigen Oberbürgermeister abgegeben, den Stadtrat neu zusammengewürfelt und die Bezirksausschüsse gewählt. So viele Menschen wie noch nie haben zu Hause abgestimmt, und es waren deutlich mehr Wähler als noch vor sechs Jahren. Und die Wähler haben klar gesagt: München muss umdenken.

Knapp 30 Prozent gab es für die Grünen, die CSU verlor massiv, die SPD ist nur noch drittstärkste Fraktion, danach kommt schon - zwar mit deutlichen Abstand - die kleine Umweltpartei ÖDP. Deutlicher kann der Wähler nicht zeigen, dass es ein "Weiter so" in München nicht geben kann. Einige Gruppierungen und auch "Fridays for Future" hatten zur Klimawahl aufgerufen - es wurde eine. Vielen Münchnern war die Koalition aus CSU und SPD ohnehin suspekt. Nun wird Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) höchstwahrscheinlich bei der Stichwahl wiedergewählt. Aber die Mehrheit im Rathaus werden die Grünen haben.

Reiter wird der (gescheiterten) OB-Kandidatin Katrin Habenschaden von den Grünen weitreichende Zugeständnisse machen müssen, denn auf diese Koalition wird es möglicherweise hinauslaufen bei dem außerordentlichen Wahlergebnis der Grünen. Und Habenschaden wird darauf bestehen, die Umwelt- und Klimapolitik weiter oben anzusiedeln als bisher. Sie wird aber womöglich darauf verweisen, dass gerade etwas mit München geschieht. Das Coronavirus und seine Folgen zwingen die Menschen zum Umdenken, das wollten Umweltschützer, wenn auch nicht so radikal. Jetzt gilt es, den Stillstand zu üben und danach nicht gleich wieder nach Malle zur Party zu fliegen. München hatte die Wahl, und das Ergebnis wird wohl nachhaltig sein.

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SZ vom 18.03.2020
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