Süddeutsche Zeitung

Kita "Freiraum" des Kinderschutzes:Woraus das Lieblingsspielzeug besteht

Lesezeit: 2 min

Wegen Corona mussten die Kleinen zu Hause bleiben, dafür haben sie tägliche Basteltipps, Experimente und ein Tagebuch zugeschickt bekommen

Von Jakob Wetzel

Eva hat zuhause Papier geschöpft: Aus altem Papier hat sie neues gemacht. Die Anleitung dazu kam aus dem Kindergarten. Die Sechsjährige hat auch Knete selber hergestellt, aus Mehl, Wasser, Salz, Öl und Lebensmittelfarbe, daheim am Tisch. Sie hat ein Bild gemalt, auf dem zu sehen ist, was Plastik im Meer alles anrichten kann, sogar ein traurig dreinschauender Fisch ist darauf zu sehen. Und auf eine der ersten Seiten ihres Tagebuchs hat Eva ihre Lieblingsspielzeuge gemalt, das sind zwei Einhörner, ein kleines und ein großes. Sie hat dazugeschrieben, woraus sie bestehen: aus Polyester und aus Kunstleder. Die Glitzersteine sind aus Plastik.

Eva besucht eigentlich den Integrationskindergarten "Freiraum" am Michael-Huber-Weg in Haidhausen, eine von zwölf Kitas des Kinderschutzes München. Doch der Kindergarten war in den vergangenen Monaten wie alle anderen auch wegen des Coronavirus geschlossen. Mit seinem Umweltprojekt ging es aber trotzdem weiter - wenn nicht in der Kita, dann eben zuhause. Der Kindergarten hat an Eva und die anderen insgesamt 30 Mädchen und Buben Tagebücher ausgeteilt und ihnen und ihren Eltern täglich Aufgaben zugeschickt, Basteltipps, Experimente und auch Rezepte. Fast alle hätten mitgemacht, sagt Erika Boda, die Nachhaltigkeitsbeauftragte des Kinderschutzes.

Boda ist eingesprungen: Sie zeigt her, was die Kinder erarbeitet haben, denn Eva und die anderen können das nicht selber tun, wegen eines Krankheitsfalles ist der Kindergarten gerade wieder geschlossen. Schon 2016 habe sich der Kinderschutz ein Nachhaltigkeitsleitbild gegeben und damit begonnen, seine damals noch acht Kitas nach "Ökoprofit" zertifizieren zu lassen, einem internationalen Kooperationsprojekt von Firmen und Kommunen, erzählt Boda. 2017 wurde das Essen umgestellt auf biologische und regionale Küche und weniger Fleisch. Ebenfalls seit 2017 hängen in den Kitas Plakate mit Umwelt- und Klimaschutz-Tipps. Etwa dem, elektrische Geräte nicht nur auf Standby zu schalten, sondern den Strom ganz wegzunehmen. Oder dem, Lebensmittel unverpackt einzukaufen, um Plastik zu sparen.

Um Plastik ging es zuletzt auch in der Kita "Freiraum". Der Integrationskindergarten habe immer wieder tolle Ideen, sagt Boda: Hin und wieder gebe es dort etwa einen stromfreien Tag, selbst im Winter. Da aßen die Kinder dann zum Beispiel Eintopf vom Lagerfeuer. In diesem Frühjahr wollten die Erzieherinnen um die Umweltpädagogin Christiane Müller mit den Kindern üben, mit weniger Plastik auszukommen. Sie hätten etwa damit angefangen, allen Kunststoff im Haus in einen Raum zu bringen, um so sichtbar zu machen, wo überall Plastik steckt. Später sollten die Kinder in Läden gehen, sich ansehen, was alles in Plastik verpackt ist, und darüber nachdenken, was das für die Tiere im Wasser und im Boden bedeutet, etwa für den Regenwurm, und was man anders machen könnte. Doch dann, nach einer Woche, kam Corona.

Die Idee sei nicht, den Kindern fertige Lösungen zu präsentieren, sagt Erika Boda. Die Kleinen sollten sich gemeinsam eigene Lösungen erarbeiten und lernen, sich etwas zuzutrauen und sich einzumischen. Sie hätten schließlich später große Herausforderungen zu meistern, sagt sie. Und auch andere Kitas will sie ermutigen: Man dürfe nicht nur auf die vielleicht unerreichbar scheinenden Vorzeigeprojekte sehen und dann verzagen, sagt sie. Sondern man solle einfach loslegen: "Es muss nicht sofort Best Practice sein. Gute Praxis reicht." Wenn eine andere Kita einen Rat brauche, wie es losgehen kann, helfe sie gerne.

Sobald die Kinder in den Kindergarten zurückgekehrt sind, wollen sie nun erst einmal ihre Tagebücher miteinander besprechen. Im Herbst kommen neue Kinder dazu, dann würden sie das bisher Gelernte wiederholen, sagt die Nachhaltigkeitsbeauftragte Boda. Und dann gehe es weiter: mit dem Ziel, immer weniger Plastik zu brauchen.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2020
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