Süddeutsche Zeitung

Referat für Gesundheit und Umwelt:Führungslos in der Krise

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Nach dem Rückzug von Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs streiten die Parteien, wer dafür die Verantwortung trägt.

Von Ekaterina Kel, München

Sie hätte sich für ihren eigenen Job wohl noch einmal bewerben müssen - und das ohne Aussicht auf einen sicheren Ausgang. Stephanie Jacobs, Leiterin des Referats für Gesundheit und Umwelt, hat sich gegen diese wenig reizvolle Perspektive im städtischen Verwaltungsapparat entschieden. Stattdessen wechselt sie bereits in zwei Wochen in die Corona-Taskforce des bayerischen Gesundheitsministeriums - "in leitender Funktion", wie es heißt.

Die Chefin verlässt ihre Mannschaft. Mitten in der Corona-Pandemie, während die Zahl der Neuinfektionen steigt und das Referat sich seit Monaten dauerhaft in Krisen- und Alarmmodus befindet. Und während die Mitarbeiter im Referat Überstunden anhäufen, um ein fragiles System zur Nachverfolgung von Infektionswegen aufrecht zu erhalten. Was hat der überraschende Schritt zu bedeuten?

Als großer Faktor gilt der Plan der grün-roten Koalition, das bestehende Referat für Gesundheit und Umwelt zu teilen. Künftig soll es jeweils ein eigenes Referat für Gesundheits- sowie für Umweltthemen geben. Das bedeutet eine gewisse Beschneidung der Befugnisse, allein personell unterstünde Jacobs nur noch etwa die Hälfte der Mitarbeiter. Außerdem wurde von Anfang an klargemacht, dass Jacobs dann nur für das nach der Teilung neu geschaffene Gesundheitsreferat als Leiterin infrage käme, nicht jedoch fürs Umweltreferat. Jacobs' Arbeit auf diesem Gebiet war den Grünen zu zögerlich.

Dass die Grünen bereits Ende Juli signalisiert haben, Jacobs' Amt keineswegs automatisch zu verlängern, sondern sie lediglich als mögliche Kandidatin in Betracht zu ziehen, versetzte der Referentin sicherlich einen weiteren Dämpfer. Von der SPD kommt der Einwand, dass es normal sei, ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit mit den Referenten über die Verlängerung "ins Gespräch zu kommen". Ein Termin kam aus zeitlichen Gründen nicht zustande, so Christian Müller, Vorsitzender der SPD/Volt-Fraktion. Und als klar wurde, dass der Freistaat Schwierigkeiten beim Einrichten der Teststationen hatte, die Münchner Teststation auf der Theresienwiese jedoch unter Jacobs' Federführung gut funktionierte, sei der Weggang von Jacobs in Söders Taskforce "nicht völlig überraschend" für ihn gewesen.

Spätestens seit Beginn der Corona-Krise steht Jacobs' Arbeit im Fokus der Aufmerksamkeit. Gleich im März handelte sie mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine erste Teststation in der Bayernkaserne aus. Wenige Wochen später folgte dann die auf der Theresienwiese, die die Stadt mittlerweile mit dem Freistaat zusammen betreibt. Die 43-Jährige wurde nie müde zu erklären, wie wichtig es sei, das Infektionsgeschehen einzudämmen, und verfolgte einen recht strikten Quarantäne-Kurs, der zwar von den Betroffenen oft kritisiert wurde, aber lange Zeit für ein starkes Abflachen der Corona-Kurve sorgte.

Die Juristin Jacobs, die vorher bereits im Gesundheitsministerium tätig war, besitzt zwar kein Parteibuch, gilt aber als CSU-nah. Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Manuel Pretzl, warf der Stadtrats-Koalition denn auch vor, Jacobs aus einer "kalten Arroganz der Macht" heraus verjagt zu haben. Jacobs selbst hat sich indes nie als politische Akteurin präsentiert und nahm die Grenzen ihrer Sacharbeit sehr ernst. Man mag das vielleicht langweilig finden, dadurch hielt sie sich aber dezent im Windschatten der nüchternen Verwaltung. Eine Eigenschaft, die man sicherlich auch im Gesundheitsministerium zu schätzen weiß. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern habe sie das RGU in vergangenen fünf Jahren "auf nachhaltige, solide Beine gestellt", ließ Jacobs am Dienstag verlauten. Sie möchte "München immer verbunden bleiben und eine Ansprechpartnerin sein".

Und wie geht es für München weiter? Jacobs' Stellvertreter Rudolf Fuchs wird vom 15. September an kommissarisch die Ruder in die Hand nehmen. Doch ein echter Ersatz muss schnell her, darin sind sich alle Fraktionen einig: Das Schlüsselreferat zur Bewältigung der Corona-Krise hält es in einer Großstadt, angesichts einer drohenden zweiten Pandemie-Welle, nicht lange ohne Führung aus.

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SZ vom 02.09.2020
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