Süddeutsche Zeitung

Protestcamp auf der Theresienwiese:Wo denn sonst?

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1500 Menschen wollen während der IAA auf der Theresienwiese campen, um gegen die Autoschau zu protestieren. Die Stadt fürchtet, dass es dort zu eng werden könnte - ausgerechnet dort, wo sonst die Wiesn stattfindet.

Kommentar von Martin Bernstein

Dass im September auf der Theresienwiese Zelte stehen, daran sollte sich die Stadt ja allmählich gewöhnt haben. Und dass für die Münchner Großveranstaltungsbrache zu Füßen der Bavaria ein paar Zehntausend Menschen wirklich kein Problem sind, beweist das Oktoberfest in jedem coronafreien Jahr. Selbst wenn sich also 30 000 oder mehr Demonstranten am 11. September zum Protest gegen die IAA zusammenfinden sollten - warum sollte dann neben ihnen nicht auch noch Platz für 1500 zeltende Menschen im Protestcamp sein? Nur zum Vergleich: 1500 Menschen sitzen während der Wiesn gleichzeitig auf dem Klo und sechsmal so viele Feiernde passen in ein einziges Festzelt. Welches Klientel der Polizei im Ernstfall mehr Arbeit macht, wäre erst noch herauszufinden.

Warum also tut sich die Stadt so schwer mit der Genehmigung des Klimacamps? München rühmt sich doch so gerne des zivilgesellschaftlichen Engagements seiner Bürger und möchte - Stichwort Mobilitätsreferat - Vorreiter in Sachen Verkehrswende sein. Da sollte der Antrag, ein Klimacamp veranstalten zu dürfen, doch eigentlich nur noch eines brauchen: den grünen Haken dahinter.

Wer Porsche und Audi auf dem Wittelsbacherplatz, Daimler vor der Feldherrnhalle und BMW auf dem Max-Joseph-Platz parken lässt, sollte doch auch noch ein Plätzchen in der Stadt für Klimaschützer finden. Oder befürchtet irgendwer kritische Bilder, die dem Image der Autoschau abträglich sein könnten?

"Wir machen Münchens schönste Plätze zur Bühne und zu Erlebnisorten rund um die Zukunft der Mobilität", versprechen die IAA-Macher. Das klingt ein bisschen nach verlängertem Laufsteg, auf dem die schöne neue Autowelt, Verzeihung: "Mobility"-Welt glänzend in Szene gesetzt werden soll. Aber das wäre ein Missverständnis. Denn, wieder O-Ton IAA: München soll ja "zum Austragungsort eines stadtweiten Dialogs über Visionen, Innovationen und nachhaltige Mobilitätslösungen für die Zukunft" werden.

Wer das glaubt, muss nicht unbedingt selig werden. Aber er muss denen, die diesen Dialog vehement einfordern, auch einen Platz am Austragungsort geben. Sonst wäre Münchens Mobility-Schau nämlich schon vor Beginn Etikettenschwindel.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2021
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