Süddeutsche Zeitung

Bilanz der Automobilmesse:Künftig weniger Raum für Autohersteller bei der IAA

Lesezeit: 3 min

Bei der nächsten Auflage der Messe wollen OB Dieter Reiter (SPD) und die Grünen die Markenauftritte auf öffentlichen Plätzen einschränken. Über die Teilnahme am Protest gibt es Zwist im Rathausbündnis.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Einen Tag nach dem Ende der Automesse IAA Mobility kündigt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an, dass die Stadt bei einer Neuauflage "genauer hinschauen" werde, wie die sogenannten Open Spaces von den Ausstellern bespielt werden. "Das war eine Überraschung für uns alle, wir wussten ja nicht genau, wie die Stände aussehen", sagte Reiter. Einen Stand wie jenen von Mercedes am Odeonsplatz, mit hohen Gerüsten und Tribünen, "das, glaub ich, wird's nicht mehr geben beim nächsten Mal". Grundsätzlich hatte Reiter bereits am Sonntag ein positives Fazit der IAA gezogen, über Details, vor allem zur Nutzung des öffentlichen Raums, werde man im Stadtrat noch diskutieren, erklärte er am Montag.

Die geplante Aufarbeitung der ersten IAA in München könnte gravierende Auswirkung auf die geplante Neuauflage in zwei Jahren haben. Denn die Grünen als Koalitionspartner und stärkste Kraft im Rathaus schließen bereits jetzt aus, dass die Autokonzerne im gleichen Ausmaß in der Innenstadt für sich werben dürfen wie heuer. "Wir können uns das in dieser Form nicht nochmals vorstellen", sagte Fraktionschefin Anna Hanusch. Das betreffe sowohl die Art der Stände etwa am Odeonsplatz oder am Königsplatz als auch die Behinderung des normalen Fuß- und Radverkehrs durch die Aufbauten. Die Autoindustrie habe versprochen, auf den öffentlichen Plätzen viel für Kommunikation und Dialog mit den Bürgern und auch Kritikern zu tun, letztlich sei es überwiegend bei überdimensionierten Verkaufsständen geblieben. Auch Gudrun Lux, Mobilitätssprecherin der Grünen, erklärte, die "massive Präsenz" einzelner Marken im öffentlichen Raum sei für die Grünen "nicht tragbar". Halbwegs geglückt sei das Konzept des Dialogs dagegen am Marienplatz.

Wie bei OB Reiter fällt das Fazit der SPD-Fraktion weit weniger harsch aus. Die IAA habe "in weiten Teilen gehalten, was sie versprochen hat", sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner. Über die Dimension der Open Spaces oder die als Umweltspur verkauften "Blue Lane" will aber auch sie noch diskutieren. Den Koalitionspartner war Hübner bei Twitter wegen der Kritik an der IAA angegangen: Die Grünen hätten für die IAA gestimmt, Bürgermeisterin Katrin Habenschaden sei bei einem IAA-Dinner gewesen - gleichzeitig jedoch seien ihre "Stadträte und Bundestagskandidaten auf der Demo in der ersten Reihe" dagegen gelaufen. "Grünes Handeln und grünes Reden in der Praxis", twitterte Hübner.

"Die Kritik habe ich überhaupt nicht verstanden", sagte Habenschaden am Montag. Die Proteste, an denen auch Grüne beteiligt waren, hätten aufgegriffen, dass die Automobilindustrie in der Vergangenheit wenig beigetragen habe zu einer klimaneutralen Mobilität. "Das finde ich total legitim." Ihre Fraktion zeigte auch wenig Lust, sich von der SPD in einen Streit ziehen zu lassen. "Wahlkampf", sagte Sprecherin Hanusch dazu nur. Die Grünen hätten zwar grundsätzlich für die IAA gestimmt, doch das ausufernde Konzept in der Innenstadt hätten sie nie mitgetragen.

Kritik am Konzept kommt aber auch aus der SPD-Fraktion. Für deren Verkehrsexperten Andreas Schuster, selbst ebenfalls Teilnehmer der Rad-Demo am Samstag, war die erste IAA in München zwar "ein guter Schritt in die richtige Richtung". Gleichzeitig sei noch "Luft nach oben" bei der Präsentation von Zukunftskonzepten. Der öffentliche Nahverkehr oder Lösungen für den Fußgängerverkehr seien nur am Rande thematisiert worden. Dass man für eine Messe wie die IAA aber auch öffentliche Plätze öffne, hält Schuster aufgrund der Brisanz des Themas für "richtig und wichtig", auch den städtischen Mobilitätskongress bewertet er positiv.

Die CSU-Fraktion sei mit der IAA generell "sehr, sehr zufrieden", sagte Fraktionschef Manuel Pretzl. Die Präsenz der Messe in der Innenstadt sei "keinesfalls" zu groß ausgefallen, sondern von den Menschen sehr gut angenommen worden. Es sei zu erkennen gewesen, dass die IAA sich bereits "stark gewandelt" habe. Auch Pretzl kritisierte die Grünen für die Teilnahme an den Protesten scharf. Das sei "heuchlerisch", wenn man auf der anderen Seite als Gastgeber mit den Chefs der Autoindustrie zusammensitze. "Das beschädigt die Glaubwürdigkeit von Politik."

Ganz umsonst haben die Aussteller die Flächen übrigens nicht bekommen. Die Gebühren richten sich nach der Münchner Sondernutzungsgebührensatzung, wie das Kreisverwaltungsreferat mitteilt: 30 Cent pro Quadratmeter und Tag im Stadtbezirk 1. Dazu kommen Tagessätze für den Auf- und Abbau sowie andere Gebühren etwa für Durchfahrtserlaubnisse. Die Berechnung und Abrechnung der auflaufenden Gesamtkosten sei noch nicht abgeschlossen, die Rechnungssumme werde sich auf jeden Fall im sechsstelligen Bereich bewegen, so ein Sprecher des Referats.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5409139
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.