Süddeutsche Zeitung

Zwillingstürme an der Paketpost:Große Pläne treffen auf skeptische Anwohner

Lesezeit: 3 min

Architekten und Stadtverwaltung versuchen vergeblich, die Zuhörer bei einer Infoveranstaltung für zwei Hochhäuser an der Paketpost zu begeistern. Fest steht: Der Investor, der im Publikum sitzt, braucht einen langen Atem.

Von Berthold Neff

Zu hoch, zu dicht, zu luxuriös, nicht grün und nicht ökologisch genug: So lässt sich das Zeugnis zusammenfassen, das Investor Ralf Büschl am Montagabend vom Publikum in der Freiheizhalle für seine Pläne rund um das Paketpost-Areal präsentiert bekam - vor allem wegen der beiden 155-Meter-Hochhäuser. Die Zahl der Zuhörer bei der dreistündigen Veranstaltung blieb allerdings höchst überschaubar. Möglicherweise lag das auch daran, dass die Veranstaltung im Live-Stream übertragen wurde (mit 146 Teilnehmenden).

Mit vereinten Kräften versuchte die Riege von Stadtplanern und Architekten, das Publikum von den Plänen für das insgesamt 8,7 Hektar große Areal mit der alten Paketposthalle im Zentrum zu überzeugen. Aber nicht einmal die Aussicht auf einen typisch Münchner Biergarten auf dem Dach in 155 Metern Höhe löste im Saal Begeisterung aus. Es blieb bei der durchgehenden Skepsis.

Robert Hösl, Partner im Basler Architekturbüro Herzog/de Meuron, das vom Investor mit der Planung des Areals betraut wurde, hatte den Biergarten zum Schluss seines Plädoyers ins Spiel gebracht. Zuvor hatte er mit mehreren Grafiken gezeigt, wie München die Landschaft ringsum auffresse. Deshalb sei es besser, sagte Hösl, wenn München nach oben wachse, als "vertikale Stadt". Die beiden Türme seien "bewusst gesetzt" und bildeten mit der riesigen Paketposthalle (mit einer Fläche von 1,9 Hektar) die "einmalige Chance" für ein "sinnvolles Ensemble".

Ulrich Schaaf, der im städtischen Planungsreferat als Projektleiter für das Vorhaben zuständig ist, stellte danach die Eckpunkte vor. Geplant ist, 1100 Wohnungen zu bauen, Räume für 3000 Arbeitsplätze zu schaffen sowie Häuser für Kinder mit insgesamt 17 Krippen-, 17 Kindergarten- und sechs Hortgruppen zu errichten, außerdem ein Seniorenheim. Er illustrierte mit vielen Simulationen, wie man die Hochhäuser aus dem Rest der Stadt wahrnehmen würde. Vom Alten Peter sieht man sie gut, aus dem Olympiagelände noch besser - und auch vom Nymphenburger Schloss.

Genau das ist das Problem, das viele im Publikum offenbar umtreibt. Nicht von ungefähr verteilte Wolfgang Czisch, ehemaliger SPD-Stadtrat und nun Aktivist der Initiative "Hochhaus-Stop", eine Broschüre, in der ein Bürgerentscheid gefordert wird: "Mit den geplanten Hochhäusern an der Paketposthalle mit 155 Metern Höhe droht München eine städtebauliche Wende zur Wolkenkratzer-Metropole." Viele Fragen, die solche Hochhäuser aufwerfen, blieben an diesem Abend unbeantwortet. Welche Schatten werfen sie genau? Welche Fallwinde wirken rundherum? Die entsprechenden Gutachten, so Robert Hösl, seien noch in Arbeit.

Hösl, der für Herzog/de Meuron schon den Bau der Fünf Höfe und der Allianz-Arena geleitet hat, konnte auch die Frage nicht beantworten, welchen ökologischen Fingerabdruck die beiden Türme hinterlassen werden. Dazu sei es bei diesem Planungsstand noch viel zu früh. Dabei hätte er durchaus sagen können, welche Erfahrungen sein Büro andernorts mit Hochhäusern gemacht hat. In Basel hat Herzog/de Meuron für den Pharmakonzern Roche zwei Türme fertiggestellt, einer 178, der zweite 205 Meter hoch. Ein dritter, mit 221 Metern, soll noch folgen. Im Münchner Publikum äußerte sich lediglich Hans-Georg Stocker, Chef des benachbarten Kulturzentrums Backstage, positiv zu den Hochhäusern.

Für die Halle dürfen die Münchner Ideen vorschlagen

Und was wird aus der alten Paketposthalle, deren geschwungenes Dach und Weite den geplanten Zwillings-Türmen als "Maßstab für die Höhe und die Ausformung" dienen, wie es in der Zusammenfassung des Planungsreferats heißt? Alles sei dort möglich, sagte Gisela Karsch-Frank, die im Planungsreferat für die Freiflächen und Freiräume zuständig ist: Sport, Spiel, Galerien, Konzerte, Übungsräume und vieles mehr. Das Wünschenswerte können die Münchnerinnen und Münchner schon bald formulieren, am 7. März startet dazu online ein Ideenwettbewerb.

Zwei Monate später stehen auch die Zwillings-Türme erneut auf dem Prüfstand. Die Stadtgestaltungskommission will sich dann erneut mit dem Paketpost-Projekt beschäftigen. Investor Ralf Büschl, der mit Frank Jainz, einem seiner Geschäftsführer, im Publikum saß, wird auch diese Diskussion aufmerksam verfolgen. Am Montagabend äußerte er sich nicht, er war nur als Gast gekommen. Einen langen Atem wird er ohnehin brauchen, wie die städtische Juristin Hildegard Wich eingangs mit den Eckdaten des nun angelaufenen Planungsprozesses illustrierte. Den Satzungsbeschluss im Stadtrat - also den Abschluss des Verfahrens für einen neuen Bebauungsplan, mit dem Büschl das Baurecht bekäme - erwartet sie für Ende 2025.

Bis dahin sollten die Bürgerinnen und Bürger sich aktiv beteiligen, regte Anna Hanusch an, Grünen-Stadträtin und Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg. Die Halle habe es "verdient, dass sie eine andere Nutzung erfährt". Nun gebe es die "große Chance, dieses Gebiet neu zu gestalten".

Die Planungsunterlagen liegen bis 9. März zur Einsicht im Planungsreferat an der Blumenstraße, bei der Bezirksinspektion West an der Landsberger Straße 486 und in der Stadtbibliothek Neuhausen, Nymphenburger Straße 171b, aus. Die Unterlagen sind zudem online abrufbar unter www.muenchen.de/auslegung.

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