Süddeutsche Zeitung

Liebe:Sie dürfen die Braut jetzt trotzdem küssen

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Mit Mundschutz auf die Hochzeit warten und feiern nur im kleinen Kreis: Heiraten erweist sich gerade oft als Herausforderung.

Von Ramona Dinauer

Wer heiraten will, muss seine eigenen Kugelschreiber mitbringen. Und es ist nicht die einzige Hygienemaßnahme, die es in den Münchner Standesämtern zu beachten gilt. Zu Beginn der Corona-Krise durften bei einer Eheschließung nur das Brautpaar, deren gemeinsame Kinder sowie bei Bedarf eine dolmetschende Fachkraft anwesend sein. Inzwischen dürfen Eheleute zusätzlich bis zu sechs Gäste mitbringen. Es ist ein ungewöhnliches Ja-Wort in ungewöhnlichen Zeiten.

Anna Garashchenko und Richard Niemann haben es sich vergangenes Wochenende im Standesamt in der Ruppertstraße gegeben. Den Moment miterlebt haben die Eltern der beiden sowie zwei Trauzeugen. Mit bedeckten Nasen und Mündern wartete die kleine Hochzeitsgesellschaft im Gang. "Zur eigenen Hochzeit mit Maske zu kommen war schon etwas deprimierend", sagt Garashchenko, "wir waren sehr froh, als wir erfahren haben, dass wir zumindest bei der Trauung keine Maske tragen müssen". Auch ihren Gästen stand es frei, Masken zu tragen. Lediglich die Standesbeamtin war in ihrer Mimik auf die Augen beschränkt. Auch den beliebten Sektempfang im Anschluss auf der Dachterrasse kann das Standesamt gerade nicht zulassen. Statt einer Hochzeitsfeier im Restaurant lud das frisch vermählte Paar den engen Familienkreis nach Hause ein. Die Torte schnitt es im Wohnzimmer an. "Unseren anderen Hochzeitsgästen wie Onkel und Tanten zu sagen, dass sie nicht zum Essen kommen können, war wirklich schade", sagt Garashchenko.

Das bekommen auch Hochzeitsplaner wie Christina Spiess zu spüren. Vergangenes Jahr plante sie mehr als zehn Trauungen. In diesem Jahr konnte von den acht geplanten Feiern noch keine einzige stattfinden. Gerade zu Beginn der Krise sei es für die Brautpaare schwierig gewesen. "Teilweise mussten sie da ganz alleine heiraten", sagt Spiess. "nicht mal ein Fotograf kann kommen." Sie berichtet von einem Paar, dass sich vom Caterer das bestellte Drei-Gänge-Menü für 70 Personen auf der eigenen Terrasse servieren ließ - für nur noch zwei Personen. Alle Brautpaare von Spiess haben heuer ihre Feiern verschoben, auch wegen Gästen, die nicht aus dem Ausland anreisen können. "Viele sind sehr ängstlich und zögern mit der Planung, weil sie nicht wissen, ob ihre Feier dann auch stattfinden kann", sagt Spiess.

Mehr als 6000 Anfragen zu den Abläufen hinsichtlich der Eheschließung hat das Heiratsbüro des Standesamts München seit Beginn der Corona-Krise erhalten. Welche Regelungen im Sommer gelten werden, hängt vom Verlauf der Pandemie und den Vorgaben des Freistaats ab. Trotz der geänderten Vorgaben haben bei Münchens Standesämtern rund 800 Paare geheiratet, teilt das Kreisverwaltungsreferat (KVR) mit. Mehr als 1900 Eheschließungen wurden beantragt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei das ein Rückgang von etwa 30 Prozent. Inzwischen habe sich die Lage wieder etwas beruhigt, sagt ein Sprecher des KVR. "Derzeit sagen von 100 Eheschließungen etwa fünf bis zehn Paare ab. Das sind vor allem diejenigen, die sehr gerne mit möglichst vielen Hochzeitsgästen im Standesamt sein möchten."

Nicht die Vorgaben für die Eheschließungen, sondern die für die Feierlichkeiten beklagt die Hochzeitsbranche. Auf dem Marienplatz bauten deren Vertreter am Dienstag eine meterlange Hochzeitstafel auf. Hinter der Tafel samt weißer Tischdecke und Blumengestecken hielten Musiker, Hochzeitsplaner und Floristen Plakate in die Höhe. Darauf prangte das Motto der Aktion: "Stand Up for Love!" Die gesamte Branche hat in diesem Jahr bislang praktisch kein Einkommen. "Ich bin gedanklich in ein tiefes Loch gefallen, weil meine Existenz auf dem Spiel steht", sagt auch Spiess. Mehr noch als die jetzige Situation beunruhigt die Inhaberin von "Mrs. Right" die Zukunft der Branche. Anfragen für Hochzeitspläne 2021 bleiben bei Spiess aus. Daraus sei auch auf einen starken Rückgang an Heiratsanträgen zu schließen. "Das gab es in Deutschland lange nicht mehr, dass Paare nicht voller Freude ihre Hochzeit planen konnten", bemerkt Spiess, "Für viele Paare, die 2020 heiraten wollen, ist die Situation traurig und belastend."

Neben Standesbeamten mit Masken und verschobenen Feiern, stellt die Situation die Brautpaare oft auch vor bürokratische Herausforderungen. Gerne hätte die Ukrainerin Anna Garashchenko den Namen ihres Mannes Richard Niemann angenommen. Die Namensänderung kann Garashchenko jedoch nur im Amt ihres Heimatlandes beantragen. Für eine Reise in die Ukraine war der Braut die Grenzsituation zu ungewiss. "Am Schluss wäre ich am Tag unserer Trauung zu Quarantäne verpflichtet gewesen", sagt Garashchenko. Das Paar hat sich am Ende einfach gefreut, dass es überhaupt mit der Trauung geklappt hat. Die Hochzeitsfeier mit gemeinsamem Nachnamen und internationalen Gästen wird nachgeholt - wann, wird sich zeigen.

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SZ vom 13.06.2020
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