Süddeutsche Zeitung

Varieté:Die neue Prinzenrolle

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Das Gop-Theater München hat wieder geöffnet - und zeigt eine Variation zu Antoine de Saint-Exupérys berühmten Buch.

Von Barbara Hordych, München

Nicht nur für Millionen Leser weltweit, auch für den Berliner Regisseur und Varieté-Neuerfinder Markus Pabst - im Gop und auch international wurden seine Shows "Soap" und "Dummy" gefeiert - ist "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry eines seiner Lieblingsbücher. So erzählte es Werner Buss, der künstlerische Leiter der Gop-Varieté-Theater bei der Wiedereröffnung des Münchner Hauses. Dort liegt der Held der Produktion "Der kleine Prinz auf Station 7" allerdings im Bett eines Krankenhauses, seine Reisen zu den verschiedenen Planeten kann der tagträumende Moritz (Tim Kriegler) nur in der Fantasie unternehmen. Aber da ergeht es ihm ja nicht anders als dem literarischen Prinzen - auch der erlebte seine Erkundungsflüge nur Kraft seiner Imagination.

Die Show hatte unter der Regie von Pabst und Pierre Caesar vor zwei Jahren ihre Uraufführung und startet nach ihrer coronabedingten Zwangspause neu, zunächst für eineinhalb Monate in München. Dort erwecken elf Artisten literarische Figuren wie die Rose, den Laternenanzünder, die Forscherin, den König und den Eitlen zum Leben. Der kleine Prinz selbst hat ein Alter Ego in einer weißen, Dummy-artigen Puppe, die von dem Figurenspieler Jarnoth geführt wird: Er besucht mit ihr die Bewohner der unterschiedlichen Planeten, lauscht ihren Geschichten und staunt über ihre akrobatischen Künste: Da schwingt und wickelt sich der Laternenanzünder in atemberaubendem Tempo um seine Pole-Stange (Ihor Yakymenko), kreiselt der Trinker im schwankenden Cyr (Toke Reimann), versprüht der Eitle (Niklas Bothe) bestechenden Charme beim Tanz mit den Hula-Hoop-Reifen. Und natürlich darf auch der Fuchs nicht fehlen, der dem kleinen Dummy die hinlänglich bekannten Worte zuflüstert: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Die wesentlichen Dinge sind für die Augen unsichtbar." Was hier kitschig sein könnte, wird durch die magisch-poetische Puppenspielkunst glänzend umschifft.

Eigens für die Show haben Jack Woodhead und Lukas Thielecke Musik komponiert, die größtenteils live vorgetragen wird. Dazu erschafft der mexikanische Künstler Ernesto Lucas Ho simultan mit jeder Szene ein anmutiges Bühnenbild, jeden Abend aufs Neue. Regisseur Pabst hat ihn auf einer seiner Reisen kennengelernt, in Paris, wo er an einem Caféhaustisch unermüdlich zeichnete, und spontan für seine geplante Show engagiert, erzählte Buss bei der Medienpremiere.

Zum Ende hin erhebt sich Moritz alias Tim Kriegler aus seinem Bett, lässt alle körperlichen Einschränkungen vergessen und schwingt sich an den Strapaten in die Höhe, wo er eine spektakuläre Nummer zeigt, für die er zu Recht 2019 beim Zirkusfestival in Monte Carlo mit Silber ausgezeichnet wurde. Was eine eineinhalbjährige Auftrittspause für Artisten bedeutet, die in ihrer fluiden Kunstform nur in einem begrenzten Zeitraum auf höchstem Leistungsniveau arbeiten können, lässt sich nur erahnen. Umso schöner also, dass die Freude der Künstler, wieder auftreten zu können, sich unmittelbar auf das begeistert applaudierende Publikum übertrug. Dass Eckart von Hirschhausens Stiftung "Humor hilft heilen" durch die Show unterstützt wird, ist obendrein ein lobenswerter Zweck.

Natürlich könnte man überlegen, ob für die Wiedereröffnung nicht eine thematisch anders gelagerte Show geeigneter gewesen wäre. Andererseits erweist sich Pabsts Show, obwohl noch vor der Pandemie konzipiert, als erstaunlich hellsichtig: Irgendwie sitzen wir ja alle im Krankenbett. Und müssen erst wieder lernen, uns zu Aktivitäten aufzuschwingen.

Der kleine Prinz auf Station 7, bis 12. September, Gop-Varieté-Theater

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