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Krieg in der Ukraine:Münchner OB Reiter droht Putin-Freund Gergiev mit Rauswurf

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Valery Gergiev ist schon oft kritisiert worden für seine Freundschaft mit dem russischen Machthaber. Wirkliche Konsequenzen hatte das für ihn aber nie - möglicherweise bis jetzt.

Als bekannt wurde, dass Valery Gergiev Chefdirigent der Münchner Philharmoniker werden sollte, rumorte es in der bayerischen Landeshauptstadt. So sehr, dass die Stadt sich 2013 - zwei Jahre vor dem Amtsantritt des Russen - nach offenen Protesten und Demonstrationen zu einer großen Pressekonferenz gezwungen sah, um die Wogen zu glätten. Damals ging es um das von Gergiev Freund Wladimir Putin in seiner russischen Heimat verhängte Gesetz zur Unterdrückung von Schwulen und Lesben. "Ich kenne dieses Gesetz nicht und ich verstehe es auch nicht", sagte Gergiev damals und tat damit nicht viel, um die Kritik an ihm zu entkräften. "Ich bin ein vielbeschäftigter Künstler."

Später schrieb er in einem Brief an sein neues Publikum: "Ich bin Musiker und Dirigent. Ich bin aber auch Russe und meinem Heimatland eng verbunden." Mit solch ausweichenden Antworten wird der 68-Jährige nun aber nicht weit kommen. Denn sein Chef, Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, droht ihm in einem beispiellosen Vorgang öffentlich mit dem Rauswurf, sollte Gergiev sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht klar und deutlich von der kriegstreibenden Politik Putins distanzieren. "Ich habe gegenüber Valery Gergiev meine Haltung klargemacht und ihn aufgefordert, sich ebenfalls eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt", sagte Reiter laut Mitteilung vom Freitag. "Sollte sich Valery Gergiev hier bis Montag nicht klar positioniert haben, kann er nicht länger Chefdirigent unserer Philharmoniker bleiben."

Der Dirigent hatte sich nach Angaben des Orchesters bislang nicht zur Invasion Russlands in die Ukraine äußern wollen. Gergiev Freundschaft mit Putin ist schon lange ein latentes Imageproblem für den Mann aus dem Kaukasus. Als im März 2014 bekannt wurde, dass er in einem offenen Brief zusammen mit weiteren russischen Kulturschaffenden die Annexion der Krim unterstützt hatte, gab es Proteste. Seiner Karriere schien das aber nie wirklich zu schaden. Er ist einer der bekanntesten Dirigenten, ein vielbeschäftigter Mann.

Neben der Leitung des russischen Prestigetheaters Mariinsky, die er seit Jahrzehnten innehat, dirigiert er immer wieder einige der größten und bekanntesten Orchester der Welt. Zu den Münchner Philharmonikern, mit denen er in Russland auch schon vor Putin gespielt hat, kam er 2015 als Nachfolger des verstorbenen US-Maestros Lorin Maazel. Ausgerechnet mit dem bunten "Tannhäuser" von Regisseur Tobias Kratzer, in dem eine Drag-Queen die Regenbogenflagge hisst, gab er 2019 sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen.

Nun aber dürfte er es im Westen ohne eine Distanzierung von seinem mächtigen Freund in Moskau schwer haben. Der Putin-freundliche Stardirigent wird beispielsweise auch nicht wie geplant mit den Wiener Philharmonikern in der New Yorker Carnegie Hall auftreten - "aufgrund jüngster Ereignisse in der Welt". Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer betonte allerdings die jahrzehntelange Verbundenheit seines Ensembles mit Gergiev und sagte: "Die Kultur darf nicht zum Spielball von politischen Auseinandersetzungen werden".

Nach Medienberichten stellte auch die Mailänder Scala Gergiev ein ähnliches Ultimatum wie Reiter in München. "Gemeinsam mit den Orchestervertretern der Münchner Philharmoniker erwarte ich von Ihnen als Chefdirigent des Orchesters jetzt ein deutliches Zeichen der Distanzierung von den völkerrechtswidrigen Angriffen gegen die Ukraine", schrieb Reiter an Gergiev. "Und damit ein klares Signal an die Stadtspitze, die Öffentlichkeit, die Musikerinnen und Musiker der Münchner Philharmoniker und ihr Publikum bis Montag, 28. Februar. Anderenfalls werden wir das Vertragsverhältnis als Chefdirigent beenden müssen."

Kurz vor seinem Einstandskonzert in München 2015 sagte Gergiev der "Süddeutschen Zeitung", er wolle sich für eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen einsetzen. "Wir müssen alles tun, was es braucht, um einen weiteren großen tragischen Konflikt zu vermeiden", sagte er damals. "Groß meint: bis hin zu einem Dritten Weltkrieg, von dem ich hoffe, dass er nie, nie geschieht."

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