Süddeutsche Zeitung

Natur in München:Wie geplante Rodungen im Forst Kasten noch verhindert werden können

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Der Kiesabbau und der Kahlschlag dafür hat dort Tradition: Seit sechs Jahrzehnten wird im großen Stil die Schotterebene ausgebeutet. Das hat auch politische Gründe - und könnte bald Geschichte sein.

Von Thomas Anlauf

Astrid Pfeiffer war noch ein kleines Mädchen, als sie erstmals in den Abgrund blickte. Ihr Vater Alfred hatte ihr bei einem Spaziergang die riesige Grube gezeigt, am Grund war ein kleiner See: Grundwasser. Das Würmtaler Unternehmen hatte mit Baggern tief in den Untergrund geschürft, um den für die Bauwirtschaft begehrten Kies zu fördern. Der Kiesabbau und auch der Kahlschlag dafür im Forst Kasten am Südwestrand Münchens hat Tradition.

Seit sechs Jahrzehnten wird hier im großen Stil die Schotterebene ausgebeutet und erst oft viele Jahre später wieder mit Bauschutt aufgefüllt. Doch während in anderen Kiesabbaugebieten rund um München auf freiem Feld gebaggert wird, müssen im Würmtal immer wieder Teile des Waldes gerodet werden. Die 1970 geborene Politologin Astrid Pfeiffer kämpft mit vielen Aktivisten im Würmtal und München dagegen, dass weiterhin Bäume für den Kies gefällt werden.

Und so paradox es klingt: Obwohl der Münchner Stadtrat erst kürzlich einer Neurieder Firma den Zuschlag erteilt hat, auf knapp zehn Hektar Wald roden zu können und den Kies darunter abzubauen, stehen die Chancen für die Umweltaktivisten gar nicht so schlecht, dass der Kiesabbau im Forst Kasten langfristig gestoppt wird.

"Es geht hier nicht einfach um die Rodung von zehn Hektar Wald. Der Forst Kasten ist eigentlich nur ein Mosaikstein von vielen, ein Symbol für einen Weg, den die Stadt München und die Region eingeschlagen haben, der falsch und vor allem unnötig ist", sagt Astrid Pfeiffer. Das hatte in den Neunzigerjahren schon ihr Vater Alfred Pfeiffer erkannt. Der SPD-Politiker versuchte damals als Bürgermeister von Planegg, den Kiesabbau genauso zu stoppen wie sein Parteifreund und Neurieder Amtskollege Otto Götz. Damals gelangen ihnen und den Würmtaler Bürgerinitiativen zumindest wichtige Teilerfolge.

In ihren Amtszeiten erreichten sie, dass in die Kiesgruben keine riesigen mit Asbestzement gefüllte Säcke, sogenannte Big-Bags, mehr gekippt wurden. Die Vorschriften zur Überwachung des Grundwassers und der Schürftiefen wurden verschärft, auch die Immissionsrichtwerte durch den An- und Abtransport des Materials durch Kieslaster wurden strenger. Damals kündigte der Geschäftsführer der Firma Bernhard Glück sogar den langfristigen Rückzug aus dem Kiesabbau im Würmtal an, doch daraus wurde letztlich nichts. Bis heute baggert das Gräfelfinger Unternehmen den begehrten Kies aus dem Untergrund.

Das hat auch politische Gründe. Denn der Regionale Planungsverband hatte vor Jahrzehnten den Forst Kasten wie einige weitere Gebiete im Großraum München zum Vorranggebiet für den Kiesabbau erklärt. Kies ist bislang praktisch unverzichtbar für den Haus- und Straßenbau und in München wird seit vielen Jahrzehnten immer mehr gebaut. Umgekehrt nahm auch die Nachfrage an Kiesgruben zu, in denen alter Bauschutt - womöglich mit dem krebserregenden Asbest - hineingekippt werden konnte. Letztlich kam es zu einer Art Vertrag zwischen der Stadt München, die Kies brauchte und Bauschutt loswerden musste, und dem Landkreis München, der viele potenzielle Kiesgruben hatte. Und so rumpelten jahrzehntelang schwere Lastwagen durch das Würmtal - beladen mit Kies in eine Richtung, mit Bauschutt in die andere Richtung.

Doch der politische Wind hat sich gedreht. Noch vor wenigen Jahren stimmte der Münchner Sozialausschuss einmütig dafür, dass die Heiliggeistspital-Stiftung für den Kiesabbau im stiftungseigenen Forst Kasten Tausende Bäume fällen durfte. Jetzt stimmten die Mitglieder des Sozialausschusses, der für die Belange der ältesten Münchner Stiftung eintreten muss, nur unter Protest zu, dass das Neurieder Kiesunternehmen Gebrüder Huber Bodenrecycling GmbH den Zuschlag für die Ausschreibung zum Kiesabbau im Forst Kasten erhält. Ihnen hätten sonst womöglich persönliche Schadenersatzzahlungen gedroht. Trotzdem hoffen die Münchner Politiker nun, dass der Kiesabbau im Wald bald Geschichte sein wird.

Weil die Fläche in einem Landschaftsschutzebiet liegt, wird alles "genau geprüft"

Denn das Landratsamt München muss erst einer Abbaugenehmigung zustimmen. "Von unserer Seite muss das auf alle Fälle genau geprüft werden", sagt eine Sprecherin des Landratsamts. Schließlich liege die Fläche im Landschaftsschutzgebiet. Vor einer Genehmigung müssten vom Unternehmen "Details benannt werden" - etwa die Transportwege der Lkw, auch Fragen des Emissionsschutzes müssten geklärt sein. Auch der Regionale Planungsverband könnte sich einschalten und Teile von Forst Kasten nicht mehr als Vorranggebiet für den Kiesabbau festlegen. Dazu müsste lediglich eine im Planungsverband vertretene Kommune die Änderung für die Vorranggebiete beantragen.

Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands ist übrigens seit 2014 Landrat Christoph Göbel, der im Würmtal aufgewachsen ist und auch Bürgermeister von Gräfelfing war. Der CSU-Politiker weiß also, was Waldrodungen und Kiesabbau vor der Haustür bedeuten. Für das Neurieder Kiesunternehmen Gebrüder Huber wiederum wäre genau das ein enormer Standortvorteil für den Kiesabbau, findet Geschäftsführer Klaus Zernikow.

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SZ vom 02.06.2021
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