Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in München:Behörde verteilte gefälschte FFP2-Masken

Lesezeit: 3 min

Einem Bedürftigen fallen Unstimmigkeiten an den Prüfsiegeln auf. Das Gesundheitsministerium weist den Vorwurf zurück, fragwürdige Masken verteilt zu haben.

Von Jakob Wetzel

Sie sollen Bedürftige schützen, Bezieher von Grundsicherung, Obdachlose und Nutzer von Tafeln. 2,5 Millionen FFP2-Atemschutzmasken hat die bayerische Staatsregierung seit Mitte Januar an Menschen verteilen lassen, die sich die relativ teuren Masken wohl nicht selbst leisten könnten. Pro Person gab es fünf Stück, kostenlos. Man lasse niemanden im Regen stehen, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Doch als Peter Taler in München dann in der vergangenen Woche seine fünf Masken entgegennahm, wurde er stutzig: Denn er erhielt Masken, auf denen zwar ausdrücklich "FFP2" zu lesen ist. FFP2-Masken, die diesen Namen verdienen, sind sie aber nicht.

Tatsächlich ist bei diesen fünf Masken nicht ersichtlich, ob es sich überhaupt um taugliche Atemschutzmasken handelt. Im Handel verkauft werden dürften sie nicht: Die Gewerbeaufsicht spricht von einer unzulässigen und nicht den Vorgaben entsprechenden Kennzeichnung. Taler, der in Wahrheit anders heißt, führte bis zur Coronakrise einen eigenen Betrieb und weiß daher, worauf zu achten ist; er spricht von Fälschungen. Doch das Gesundheitsministerium weist den Vorwurf zurück, fragwürdige Masken verteilt zu haben.

Woran man echte FFP2-Masken erkennen kann, darüber klärt zum Beispiel die Prüfgesellschaft Dekra auf. Nötig ist demnach vor allem eine CE-Kennzeichnung, gefolgt von einer vierstelligen Nummer, mit der sich nachverfolgen lässt, welche Prüfstelle zertifiziert hat, dass die Maske den europäischen Vorschriften genügt. Ohne eine solche Kennzeichnung darf eine Maske nicht als FFP2-Maske in Umlauf gebracht werden. Und das Siegel ist nur gültig, wenn auch die vierstellige Kennnummer angegeben ist. Fehlt sie, stimmt etwas nicht. Bei Talers Masken ist genau das der Fall.

Um die Masken, die der Freistaat für Bedürftige verteilen lässt, gab es schon in den vergangenen Wochen Verwirrung. Empfänger berichteten, anstelle von FFP2-Masken hätten sie Masken nach dem chinesischen Standard KN95 erhalten, ohne CE-Siegel. Solche Masken entsprechen nicht dem europäischen Standard, durften aber bis September 2020, als es in Deutschland noch nicht genügend geprüfte FFP2-Masken gab, als Ersatz für diese freigegeben werden. Voraussetzung war unter anderem ein Schnelltest bei einer Prüfstelle; danach konnten sie als "Corona-Pandemie-Atemschutzmasken", kurz "CPA-Masken", freigegeben werden. Heute gilt das nicht mehr, Händler dürfen nur noch Restbestände verkaufen. Diese Masken aber müssen im Handel auf Packung oder Maske explizit als CPA-Masken ausgewiesen sein. Zudem muss eine behördliche Bestätigung in Kopie beiliegen. Bei den Masken, die der Freistaat versandte, fehlte diese Kennzeichnung offenbar.

Bei Taler aber liegt der Fall anders. Auf seinen fünf Masken ist zwar ebenfalls der chinesische Standard KN95 eingestanzt, und sie sind auch nicht als CPA-Masken gekennzeichnet. Doch der chinesische Hersteller vertreibt sie trotz fehlendem CE-Siegel explizit als FFP2-Masken. Noch dazu hat er neben der chinesischen Prüfnorm GB2626 auch die europäische Norm EN149 aufdrucken lassen; laut Gewerbeaufsicht ist auch das unzulässig. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin rät von der Nutzung solcher Masken ab.

Peter Taler aber hat nun fünf Stück davon, immerhin gratis. Er fühle sich verschaukelt, sagt er. Es seien offenbar problematische Restbestände ausgeteilt worden, mutmaßt er. Die Masken müssten zurückgerufen werden. Untaugliche Masken seien schließlich ein Risiko: Wer sie trage, wiege sich in Sicherheit und achte womöglich weniger auf den nötigen Mindestabstand.

Wie viele dieser Masken nun kursieren, ist unklar; ebenfalls, aus wessen Bestand sie stammen und wer verantwortlich dafür ist, dass sie verteilt wurden. Das Gesundheitsministerium teilt zu Fotos der Masken sowie als Antwort auf Fragen nach deren Menge und einem möglichen Rückruf lediglich mit: Seit dem 19. Januar, ab dem Masken an Bedürftige verteilt wurden, seien aus dem Pandemie-Zentrallager ausschließlich FFP2-Masken ausgeliefert worden. Es könne daher "ausgeschlossen werden, dass die abgebildeten KN95-Masken aus dieser aktuellen Lieferung stammen".

An die einzelnen Bedürftigen vor Ort verteilt wurden die Masken von den Landkreisen und kreisfreien Städten, in München lief die Verteilung über das Sozialreferat. Es sei möglich, dass Kreise und Kommunen eigene, ältere Bestände mitverteilt hätten, die sie zuvor einmal vom Freistaat erhalten hätten, heißt es vom Ministerium. Darunter seien auch KN95-Masken gewesen. Das Münchner Sozialreferat dagegen versichert, dem sei nicht so: Man habe nur weiterverteilt, was das Gesundheitsministerium aktuell geliefert habe, heißt es. Dabei habe man die Masken nicht überprüft, sondern nur die Logistik organisiert.

Generell seien sämtliche durch das Zentrallager verteilten Schutzartikel geprüft worden, versichert das Gesundheitsministerium außerdem. Das Landesamt für Gesundheit habe sie im Vorfeld formal und immer wieder in Stichproben geprüft und als ordnungsgemäß eingestuft.

Für Peter Taler ist nicht genau nachvollziehbar, aus wessen Beständen die Masken stammen, die er bekommen hat. Aufsetzen will er sie jedenfalls nicht. "So offensichtlich, wie die gefälscht sind", sagt er, "das habe ich noch nie erlebt."

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SZ vom 04.02.2021
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