Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Sichtbar machen

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Im Deutschen Museum gibt es eine neue "Schatzkammer", die mit teilweise sehr kunstvollen Objekten die Geschichte der Optik erzählt.

Von Jürgen Moises

Mit expressionistischen Gemälden wie " Blaues Pferd 1", " Tiger" oder " Die Vögel" schrieb sich Franz Marc vor mehr als 100 Jahren in die Kunstgeschichte ein. Für diese Bilder, auf denen sich auf flirrende Weise Farben und Formen überschneiden und durchdringen, gelten Kunstströmungen wie Kubismus, Fauvismus und Futurismus als wichtige Einflüsse und vor allem Robert Delaunays abstrakte, farbintensive Malerei.

Das ist aber nur die eine, stilistische Seite. Denn wie es aussieht, hat der im Ersten Weltkrieg verstorbene Künstler auch mit einem chromatischen Doppelprisma experimentiert. Diese These stellt jedenfalls die Leiterin des Restaurierungsateliers im Lenbachhaus Iris Winkelmeyer auf. Und zwar im Katalog " Klassische Optik. Vom Sichtbaren zum Messbaren" des Deutschen Museums.

Der ganz normal im Buchhandel erhältliche Katalog gehört zur neuen Dauerausstellung " Klassische Optik", die das Museum im vergangenen Jahr eröffnet hat. Vor Kurzem kam noch als "Schatzkammer" eine fast vier Meter hohe Großvitrine mit etwa 220 optischen Instrumenten hinzu. Darunter sind klassische Mikroskope, Spektroskope, Fernrohre, Messinstrumente und "Optische Bauteile", zu denen neben Spiegeln oder Kaleidoskopen eben auch Prismen gehören.

Ein Prisma ist, das zu den Grundlagen, ein mehrseitiger Glaskörper, der Licht aufspalten oder umlenken kann. Das erwähnte chromatische Doppelprisma zeichnet sich dadurch aus, dass es aus zwei "verkitteten" Prismen besteht und man damit echte Komplementärkontraste aufspüren kann. Solche, wie sie eben auch Marc in seiner Malerei verwendet hat.

"Das Prisma ist mir unentbehrlich geworden", schreibt Marc in einem Notizheft. Und an anderer Stelle beschreibt er, wie er sein Gemälde " Liegender Hund im Schnee" durch ein Prisma betrachtet hat. Ob vielleicht auch Robert-Delaunay-Prismen verwendet hat? Das ist eine spannende Frage, die Winkelmeyer in ihrem Aufsatz stellt, der nur einer von mehreren lesenswerten Beiträgen im Katalog ist.

Andere beschreiben die Geschichte der Optik in der islamischen Welt oder wie die Optik-Sammlung des Museums entstand. Und natürlich gibt es kurze Infos zu allen Objekten. Acht davon werden im Katalog, in der Ausstellung sowie in einer Medienstation vor Ort als "Leitobjekte" gesondert hervorgehoben. Damit man über deren Geschichte tiefer in die Technik- und Kulturgeschichte eintaucht.

Dazu gehören zwei einfache Mikroskope von Antoni van Leeuwenhoek, die aus der Zeit um 1670 und um 1700 stammen. Beide sind im Grunde stark vergrößerte Lupen, mit deren Hilfe Leeuwenhoek als "Vater der Mikrobiologie" unter anderem Spermatozoen und rote Blutkörperchen entdeckte. Interessant ist: Der im niederländischen Delft geborene und verstorbene Naturforscher und Instrumentenbauer war eigentlich ein Tuchhändler. Außerdem war er der Nachlassverwalter des berühmten Malers Jan Vermeer.

Und es gibt die These, dass Leeuwenhoek für Vermeers Gemälde "Der Astronom" und "Der Geograf" als Modell gedient hat. Was zur Frage verführt: Hat der 1675 verstorbene Vermeer die Entwicklung der Mikroskope noch mitbekommen? Und hat er vielleicht sogar durch eins davon geblickt?

Wie eng die Kunst und die Optik jedenfalls seit der Renaissance in Verbindung stehen, davon erzählen auch die Camerae obscurae und die Camera lucida. Daneben gibt es ein Elektronenmikroskop von Ernst Ruska als neuestes Objekt. Es gibt einen optischen Gehaltmesser für Bier, Milch oder Most von Carl August Steinheil und einen Prismenspektralapparat von Joseph von Fraunhofer, der damit das Sonnenlicht untersucht hat.

Es gibt zahlreiche Fernrohre, asiatische Zauberspiegel, einen Lerchenspiegel, der neben seiner unschönen Funktion als Jagdgerät so etwas wie ein Vorläufer der Diskokugel war. Und dann sind da in dieser Schatzkammer noch viele andere Instrumente, die schon rein "optisch" kleine Kunstwerke darstellen und einen Blick darauf auf alle Fälle lohnen.

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