Süddeutsche Zeitung

Krampuslauf in der Innenstadt:Auf sie mit Gebrüll!

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Rund 300 Krampusse auch aus Österreich und Italien ziehen vor Tausenden Zuschauern durch die Stadt. Die Gruselgestalten sollen der Legende nach Dämonen vertreiben - und unartige Kinder strafen.

Von Joachim Mölter

Ein Kind, ein Blick und dann ein Schrei: "Die wilden Männer! Da sind sie!" Also los, jauchzend hinein ins Getümmel! Sehen konnte das kleine Mädchen die wilden Männer zwar kaum, dafür versperrten ihm viel zu viele Erwachsene die Sicht. Aber zu überhören waren sie ja nicht, dank des Gebimmels ihrer mehr oder minder großen Glocken, die sie auf den Rücken geschnallt hatten oder an den breiten Ledergürtel. Bei jedem Schritt hat es gescheppert.

Eine ganze Horde zotteliger Ungeheuer zog am Sonntagnachmittag durch die Innenstadt, flankiert von mehreren Tausend Menschen, die ein Spalier bildeten und das wilde Treiben in geordnete Bahnen lenkten - von der Sendlinger Straße über den Rindermarkt und den Christkindlmarkt am Marienplatz bis hinein in die Kaufingerstraße. Nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause fand heuer wieder ein Krampuslauf statt, organisiert von der Sparifankerl-Pass, was mundartlich für Teufelsgruppe steht. Seit Beginn dieses Jahrtausends engagieren sich die Sparifankerl-Verantwortlichen in München für den Erhalt und die Pflege dieses zwischenzeitlich fast schon vergessenen Adventsbrauchs.

Der ist vor allem im Alpenraum verbreitet und wurzelt in heidnischen Traditionen: Die dämonischen Figuren sollten ursprünglich böse Geister vertreiben. Da die Christen ihrerseits diese Figuren nicht aus den Köpfen der Berg- und Talbewohner vertreiben konnten, integrierten sie sie kurzerhand in ihren Glauben und stellten sie dem Nikolaus zur Seite. Während der die braven Kinder beschenkt, bestraft der Krampus die unartigen, in der Regel mit der Reisig-Rute. Im Gegensatz zu dem im Norden Deutschlands tätigen Knecht Ruprecht kommt der Krampus freilich nicht allein, sondern gleich im Rudel.

Die Krampusse stecken für gewöhnlich in Ganzkörperfellen und unter kunstvoll geschnitzten Holzmasken mit gedrechselten Hörnern, langen Zähnen und teils klappernden Gebissen. Auf rund 300 Holzköpfe schätzte Sparifankerl-Obmann Tom Bierbaumer die diesjährige Teilnehmerzahl. Krampus-Tag ist zwar im Grunde der 5. Dezember, der Vorabend des Nikolaus-Tages.

Dass der Lauf in München nun eine knappe Woche später stattfand, erklärte Bierbaumer so: "Am 5. Dezember sind die meisten Gruppen in ihren Heimatdörfern unterwegs, deswegen machen wir das nach Nikolaus oder kurz vor Weihnachten - da kriege ich die ganzen schönen Gruppen zusammen." Rund 20 lokale Brauchtumsverbände aus Bayern, Österreich und sogar Italien waren am Sonntag angereist, um hier um die Häuser und Buden des Christkindlmarktes zu ziehen.

Nach knapp zwei Stunden war der Spuk vorbei, der "Große Lauf", wie Bierbaumer das Schaulaufen bezeichnete. Früher gab es auch kleine Krampusläufe, da machten außer den Münchnern dann nur noch zwei, drei weitere Gruppen mit. Aber die XXL-Version hat sich durchgesetzt und offensichtlich auch die Corona-Wellen überstanden, wie an der Resonanz zu erkennen war. Im Übrigen waren nicht nur wilde Männer unterwegs, wie das kleine Mädchen gemutmaßt hatte, sondern auch einige wilde Frauen. Aber die hat man erst erkannt, als sie die Masken abgenommen haben.

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