Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:München legt mehrere Brückenjahre ein

Lesezeit: 2 min

Die Stadt wird in den nächsten Jahren viel Geld ausgeben, um neue Verbindungen zu schaffen - vor allem für die, die ohne Auto unterwegs sind.

Von Andreas Schubert

In vielen Rankings liegt München ja ganz weit vorne. Nur bei den Brücken muss sich die Stadt mächtigeren Gegnern geschlagen geben. Freilich ist weithin bekannt, dass es in München rund zweieinhalb Mal so viele Brücken gibt (etwa 1000) wie in Venedig (etwa 400) und ein paar mehr als in Berlin. Hamburg dafür ist mit 2500 Brücken unangefochtener Brücken-Europameister. Und wird das wohl noch eine Zeit lang bleiben.

Freilich dürfte das den meisten Münchnern wurscht sein. Sie wissen natürlich, dass mit einer ganz bestimmten Brücke die Erfolgsgeschichte ihrer Stadt ihren Anfang nahm. Deshalb sei hier nur kurz auf Herzog Heinrich den Löwen eingegangen, der um das Jahr 1158 eine Brücke über die Isar bauen ließ, nachdem er die bei Föhring gelegene Zollbrücke des Freisinger Bischofs Otto I. zerstört hatte (was den Bischof gar nicht freute). Diese neue Brücke mussten die Fuhrwerke passieren, die wertvolles Salz aus den Abbaustätten in Reichenhall oder Hallein Richtung Westen geladen hatten. Und das ließ sich der geschäftstüchtige Heinrich gut bezahlen.

Arnulfsteg

Baubeginn war vor zwei Jahren, dieses Jahr soll der neue Arnulfsteg fertig werden - drei Jahre später als ursprünglich geplant. Die 240 Meter lange Brücke, die zwischen Donnersberger- und Hackerbrücke über 37 Bahngleise führt, ist Radlern und Fußgängern vorbehalten. Sie ist eine direkte Verbindung zwischen dem Arnulfpark im Norden und der Schwanthalerhöhe im Süden. Zugänge gibt es dann an der Philipp-Loewenfeld-Straße, der Erika-Mann-Straße und an der S-Bahn-Station Donnersbergerbrücke.

John-F.-Kennedy-Brücke

Wenn von 2023 an der Tunnel am Isarring gebaut wird, der eine Wiedervereinigung des Englischen Gartens möglich macht, will die Stadt gleichzeitig die über die Isar führende John-F.-Kennedy-Brücke ertüchtigen. Die wurde in den Sechzigerjahren erbaut und zuletzt Ende der Neunzigerjahre saniert. Die Brücke soll einen Einfädelstreifen für Autos bekommen, weil der Isarring im Bereich des Tunnels sechsspurig ausgebaut werden soll und die Auffahrt von der Ifflandstraße sonst zu gefährlich wird. Die Brücke selbst ist derzeit nicht in kritischem Zustand. Das Baureferat empfiehlt aber, die Arbeiten zusammen mit dem Isarring-Tunnel anzugehen.

Ludwigsbrücken

Seit Anfang Mai läuft die Sanierung der Ludwigsbrücke, die eigentlich aus zwei Brücken besteht - der inneren und der äußeren Ludwigsbrücke. Unter anderem muss der komplette Oberbau der Brücken erneuert werden, der Asphaltbelag, die Scheitelgelenke der äußeren Ludwigsbrücke, die Tragplatten, die Abdichtungen, die Tramgleise und einiges mehr. Pro Richtung gibt es für Autos aktuell nur eine Fahrspur, Radlern und Fußgängern stehen zwei Behelfsbrücken zur Verfügung. Nach Abschluss der Bauarbeiten bleibt für den Autoverkehr jeweils nur eine Fahrspur übrig, dafür werden neue Radspuren geschaffen.

Braunauer Brücke

Die Braunauer Eisenbahnbrücke wird von der Bahn nur zur Hälfte genutzt. Der ältere Teil liegt seit Jahren brach - und seit mindestens 30 Jahren wird schon diskutiert, ihn endlich für Fußgänger und Radfahrer zu öffnen. Dann gäbe es eine attraktive autofreie Verbindung zwischen Untergiesing und Sendling respektive der Isarvorstadt. Geht es nach den Initiatoren des Bürgerbegehrens Radentscheid, soll die Brücke bereits 2025 geöffnet werden. Über die Kosten ist derzeit noch nichts bekannt.

Giesinger Brücke

Wie auch die Braunauer Eisenbahnbrücke will die grün-rote Koalition auch die Fahrrad- und Fußgängerbrücke am Giesinger Berg "prioritär" angehen. Auch die CSU hat sich in der vergangenen Amtsperiode für den Steg an der Heilig-Kreuz-Kirche eingesetzt. Die Idee, einen Steg zu bauen, ist schon fast zwei Jahrzehnte alt. Und schon 2011 legte das Architekturbüro Karl + Probst einen Entwurf vor. Die Chancen stehen gut für das Projekt. Es müssen allerdings sowohl Belange des Naturschutzes als auch des Denkmalschutzes berücksichtigt werden. Die Ergebnisse einer Studie dazu werden erwartet.

Klenzesteg

Schon 2012 lobte die Stadt München einen Architektenwettbewerb aus, der dann 2013 entschieden wurde - für ein Projekt, das seither auf Eis liegt. Nun sieht es so aus, als ob der Klenzesteg, der zwischen Wittelsbacher- und Reichenbachbrücke die Au mit der Isarvorstadt verbinden soll, wohl doch noch irgendwann gebaut werden soll. Zumindest hat ihn die neue grün-rote Stadtregierung ins Koalitionspapier mit aufgenommen, allerdings nicht prioritär. Es wird wohl noch einige Jahre dauern.

Offenbachstraße

Die Stadt baut in Pasing südlich der Josef-Felder-Straße und der Bahngleise eine Rad- und Fußgängerbrücke über die Offenbachstraße. Sie verbindet die Promenade an den Pasing Arcaden mit dem östlich davon auf dem ehemaligen Stückgutgelände entstehenden Wohnviertel. Aus Richtung der Promenade führt eine 40 Meter lange Rampe auf die fünf Meter breite Brücke. Auf der Seite des neuen Wohnquartiers führen Treppenabgänge beidseitig zur Offenbachstraße. Die Brücke ist ein wichtiger Lückenschluss für den Radverkehr im Münchner Westen.

Aus dem kleinen Weiler apud munichen wuchs über die Jahrhunderte jene Stadt, die heute, Jahrhunderte später, in Sachen Wirtschaft oder Lebensqualität immer wieder Rekorde bricht - zumindest bis jetzt. Wie auch immer dieses Jahr ausgehen mag: In Sachen "mia san mia", also was das bayerische Selbstbewusstsein angeht, wird München uneinholbar vorne bleiben - da kann sich das ferne Hamburg, wie man hierzulande gerne sagt, seine vielen Brücken getrost an den Hut stecken.

Und doch will die Stadt in den nächsten Jahren eine Menge neuer Brücken bauen, was auch mit einem Rekord zusammenhängt. München reißt regelmäßig die Bestmarke bei der Kategorie Stauhauptstadt, weshalb die Politik inzwischen vieles tut, um den Radverkehr zu fördern, nicht zuletzt, nachdem das Bürgerbegehren Radentscheid 2019 einen Rekord beim Unterschriftensammeln erzielt hat. So hat der Stadtrat vergangenen Sommer ein Brückenbau-Paket mit 47 Maßnahmen beschlossen, das sowohl Neubauten als auch Sanierungen beinhaltet. Prominentestes Beispiel ist der Neubau des weithin sichtbaren Arnulfstegs, der in der Nähe des Hauptbahnhofs die Maxvorstadt respektive Neuhausen mit der Schwanthalerhöhe verbindet und vielen Radlern so die lästige Querung über die Donnersbergerbrücke oder die Hackerbrücke erspart.

Auch an der Stelle, wo Heinrich der Löwe einst seine gewinnträchtige Zoll-Idee verwirklichte, an den heutigen Ludwigsbrücken, wird eifrig gebaut, weil sie marode sind. Auch hier soll den Radlern künftig deutlich mehr Platz eingeräumt werden. München legt sozusagen mehrere Brückenjahre ein, um Versäumtes nachzuholen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4933362
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.