Süddeutsche Zeitung

Allacher Tunnel:Sanierung wird zur Belastungsprobe

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Während der Arbeiten will die Autobahndirektion zwei Spuren pro Richtung für den Verkehr auf der A99 offenhalten - zu wenig, finden Stadtverwaltung und Lokalpolitiker.

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Die intensive Arbeit des Bezirksausschusses (BA) hat sich nach Einschätzung des Vorsitzenden Pascal Fuckerieder (SPD) gelohnt. Viele Punkte aus dem Positionspapier der Stadtteilpolitiker zur geplanten Sanierung des Allacher Tunnels und der temporären Freigabe der Seitenstreifen auf dem Autobahnring A 99 habe das städtische Planungsreferat in seiner eigenen Stellungnahme berücksichtigt. Für das aufwendige Vorhaben der Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Südbayern, zwischen den Autobahndreiecken Allach und Feldmoching läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren bei der Regierung von Oberbayern.

So lehnt auch die Landeshauptstadt München größere Verlagerungen des Verkehrs während der achtjährigen Bauzeit auf das städtische Straßennetz ab und fordert ein mit ihr abgestimmtes Konzept für den Verkehr und den Anwohnerschutz. Die Autobahn GmbH verfolgt während der Bauarbeiten an einer der bayernweit am stärksten belasteten Straßen mit im Schnitt täglich 132 000 Fahrzeugen in diesem Abschnitt eine sogenannte 4 plus 0-Verkehrsführung: Dies bedeutet, eine der beiden Tunnelröhren wird während der Arbeiten komplett gesperrt, in der anderen der Verkehr auf je zwei verengten Fahrspuren pro Richtung durchgeleitet.

Laut den Planern würde so ein gutes Viertel des täglichen Verkehrs verdrängt, den sie unter anderem über die Bundesstraße 471, Teile der A 8 Richtung Stuttgart und des Mittleren Rings ableiten wollen. Doch wird auch der Stadtbezirk Allach-Untermenzing noch genügend Ausweichverkehr abbekommen: allein etwa 3000 Fahrzeuge mehr auf der ohnehin schon überlasteten Eversbuschstraße.

Die Stadt hält eine "4 plus 2"-Variante in der heißen Bauphase für verkehrsverträglicher, bei der mit vier verengten Spuren in der einen und zwei geöffneten in der anderen Tunnelhälfte wesentlich mehr Verkehr auf der Autobahn bliebe. Eine Lösung, die auch der BA anstrebt, weil sich der Verdrängungseffekt auf 12 000 Fahrzeuge pro Tag verringere, auch wenn sich dabei die Bauzeit um ein Jahr verlängere. Die Autobahn GmbH hatte diese Variante in einer vorherigen Informationsveranstaltung bereits aus Gründen der Sicherheit für Arbeiter und Autofahrer abgelehnt.

Ein wichtiges Thema neben allerlei technischen und wasserrechtlichen Vorgaben und Anregungen ist in den beiden Stellungnahmen von Planungsreferat und BA der Natur- und Umweltschutz. So fordert die Stadt eine schalltechnische Untersuchung wegen des Baulärms, den die Autobahn GmbH als "unerheblich" im Vergleich zur hohen Vorbelastung der A 99 einstuft. Zwar sieht die Stadt die Grenzwerte beim Feinstaub eingehalten, vereinzelt werden aber Überschreitungen beim Stickstoffeintrag an Wohngebäuden prognostiziert. Dagegen seien geeignete Maßnahmen, etwa Geschwindigkeitsreduzierungen in den betroffenen Abschnitten, zu ergreifen.

Die Stadt weist außerdem eindringlich darauf hin, dass die ökologische Belastungsgrenze für den Allacher Forst und die Angerlohe bereits erreicht sei. Mögliche Abweichungen von den Prognosen nach oben, Ungenauigkeiten in Messungen und Modellen, eine höhere Verkehrszunahme oder ein anderer als der erwartete Verkehrsfluss könnten die kritische Grenzmarke überschreiten. Anders als die Autobahn GmbH hält die Stadt eine tiefergehende Analyse zu den Auswirkungen auf den streng geschützten Hirschkäfer und andere seltene Arten wie den Juchtenkäfer/Eremit für unabdingbar. Nachweise auf ein Hirschkäfer-Vorkommen hatte 2019 ein Gutachter im Auftrag des Bundes Naturschutz dort erstmals nach 30 Jahren wieder in München entdeckt.

Der Stadt geht es hierbei nicht nur um eventuell gefährdete Brutbäume, sondern auch um die Anlockwirkung durch Lichtemissionen von der Tunneldecke, auf der künftig die Technik samt Kabelhäuschen verbaut ist. Denn Käfer fliegen gerne zum Licht, wodurch die Populationen gefährdet werden könnten. Das Planungsreferat kommt in seiner Zusammenfassung auf insgesamt 146 Holzkäferarten aus 44 Familien, die im Norden der Allacher Lohe vorkommen - darunter 45 Arten, die auf der Roten Liste in Deutschland stünden und 38 auf der von Bayern. Hinzu kämen 94 sonstige Käferexemplare, darunter drei Urwaldrelikt-Arten und ein vom Aussterben bedrohter Stachelkäfer. Hinweise darauf fehlten in den eingereichten Unterlagen zur Planfeststellung.

Deshalb verlangt die Stadt, auch zur Schonung von Fledermäusen, Brutvögeln, Nachtfaltern und anderen Tieren, die Nachtbaustellen einzuschränken, und wenn Arbeiten nicht vermeidbar sind, den Allacher Forst durch blickdichte Schutzzäune abzuschirmen. Besonders geachtet werden müsse auch auf die Zauneidechse. Zu der Zeit, wenn laut Planung das Baufeld freigemacht wird, lebe das Reptil weitgehend immobil in seinem Winterquartier unter Baumwurzeln, in Mäusebauten oder anderen Unterschlupfen und sei nicht in der Lage, vor schwerem Gerät zu fliehen.

Die Lokalpolitiker in Allach-Untermenzing fordern bei diesem Thema sogar eine Beschattungsuntersuchung, weil sie die vorgesehenen Ausweichhabitate für nicht geeignet halten. Ihnen ist zudem wichtig, dass die Autobahn GmbH die Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur fachgerecht im Stadtbezirk selbst realisiert, und nicht andernorts wie in Krailling. Nicht zuletzt halten die Stadtviertelvertreter den Denkmalschutz der historischen Bunkeranlage im Bereich der nahen Wilhelm-Zwölfer-Straße für nicht berücksichtigt - ein Relikt aus der Zeit des industriellen Ofenbaus der Hütteningenieure Peter und Walter Müller.

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SZ vom 20.04.2021
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