Süddeutsche Zeitung

Stand-Up-Comedy:Humor als Waffe und Therapie

Lesezeit: 2 min

Michael Mittermeier überzeugt im Circus Krone - vor allem mit seinen Alterseinsichten im berufsjugendlichen Comedy-Genre.

Von Oliver Hochkeppel

Wie es sich für einen Star gehört, hatte Michael Mittermeier bei seinem Auftritt im Circus Krone eine "Vorband". Den ein Vierteljahrhundert jüngeren Kollegen Max Osswald ließ er das Warm-up besorgen. Am Schluss wies Mittermeier dann nicht nur auf dessen Premiere im Vereinsheim hin, sondern empfahl generell einen Blick auf die vitale Münchner Comedians-Szene. Er habe sich zu Beginn seiner Karriere auf der Suche nach "Open-Mike"- und Stand-up-Referenzen noch im Ausland umschauen müssen. Comedy 1.0 also stand auf dem Programm, die klassische Variante, die allerdings beim 57-jährigen, in Ehren ergrauten Mittermeier am Puls der Zeit geblieben ist und - darauf wird noch einzugehen sein - einen besonderen Ton angenommen hat.

Ins neue Programm "# 13" - das wegen Corona-Zwischenspielen eigentlich schon Nummer 15 ist - geht es sogar mit einem politischen Schlenker los, mit der chinesisch-amerikanischen Konfrontation. "Spionage-Ballon", das klinge doch gar nicht nach China, das passe eher zu Österreich, befand er, um das mit einer netten Falco-Parodie zu untermauern. Und war so auch prompt beim Thema Alter, das - später immer mehr mit seiner 15-jährigen Tochter als Projektionsfläche - zu einer Art Grundierung des Programms wurde. Ob beim langen Exkurs über seine "Lieblingsserie" Love Island, diesem "Immodium fürs Gehirn", wo man das Amüsement des Älteren über die jungen "Wimperellas und Rillensepps" und ihre unvermeidlichen Tattoos als "QR-Code für Reality-Shows" heraushören konnte. Ob bei der sehr witzigen Beschreibung seiner ersten Darmspiegelung. Oder bei kernigen Attacken auf Influencer- und Social-Media-Auswüchse.

Dass Lebenserfahrung und - Verzeihung! - Alterseinsichten dem geradezu berufsjugendlichen und betont "leichten" Comedy-Fach Tiefgang verschaffen können, verdeutlichte Mittermeier nach der Pause eindringlich und nachhallend. Denn da wurde der Mann, der gerade als Co-Sieger der vierten LOL-Staffel seine Fähigkeit bewiesen hat, ernst zu bleiben, sozusagen stabil seriös, wie man es auf jungdeutsch sagen könnte.

Humor ist nicht nur zweckfreie Unterhaltung

Auf seinen "Beef mit Gott und seinem Personal" kam er da zu sprechen, nicht nur wegen eines prügelnden Kaplans in der Jugend und den Missbrauchsskandalen. Sondern vor allem, weil er und seine Frau ihre vier Totgeburten mangels Taufe (wie auch!) nicht adäquat beerdigen und betrauern durften, ja, zwei dieser unschuldigen Kinder nach katholischer Lehre bis 2007 sogar auf ewig in der Vorhölle schmoren.

Klar wurde da, dass Humor für Mittermeier inzwischen nicht nur zweckfreie Unterhaltung, sondern auch Waffe und Therapie ist. Sogar wie im Kabarett mit dem Anspruch der Aufklärung. "Liked alle anderen, wie ihr selbst geliked werden möchtet", rief er zum Schluss, sozusagen ein kategorischer Comedy-Imperativ. Mal sehen, ob da sein LOL-Mitgewinner Kurt Krömer am Freitag an selber Stelle mithalten kann. Auch der hat ja zuletzt neben seiner witzigen öffentlichen auch eine ernste persönliche Seite offenbart.

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