Süddeutsche Zeitung

Ehemaliger Fliegerhorst:Lufthoheit am Hachinger Bach

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Vor 20 Jahren wurde aus dem ehemaligen Fliegerhorst der Landschaftspark. Heimatpfleger Günter Staudter muss häufig Fragen zur Vergangenheit beantworten. Jetzt gibt es auch einen Film.

Von Daniela Bode und Michael Morosow, Unterhaching/Neubiberg

Aus einem Bachgestrüpp lässt sich das kurze "tschirrak" eines Teichrohrsängers vernehmen, der sich über die leckeren Insekten und Larven freuen kann, die es hier reichlich und in großer Vielfalt gibt. Auch aus den Wipfeln der Bäume, die allerlei anderen gefiederten Sängern als Konzertbühne dienen, piepst und pfeift und trällert es, dass es eine wahre Freude ist. Ein junges Paar lässt kichernd seine Beine über den Rand des Holzstegs baumeln, unter dem der Hachinger Bach leise dahinplätschert.

Es ist ein friedvolles Idyll, das sich hier auf über 126 Hektar im Nordosten der Gemeinde Unterhaching ausdehnt. Und wenn nicht die alten Bahngleise wären, die wie vergessen vor sich hinrosten, wenn beim Spaziergang nicht plötzlich Bunkeranlagen wie aus dem Nichts auftauchten und wenn nicht eine etwa 50 Meter breite und mehr als zwei Kilometer lange Betonpiste Rasen und Wiesen durchschneiden würde, dann könnte man leicht glauben, dieses heimelige Stück Natur diene seit dem Ende der Eiszeit den Menschen zum Wohlgefallen.

Tut es aber nicht. Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert hinweg, besaßen hier nicht Schmetterlinge und Vögel die Lufthoheit, sondern unter anderem Kampfflugzeuge der Deutschen Luftwaffe, Verbände der US-Air-Force und schließlich private Sportmaschinen vom Fliegerclub München. Erst nachdem die Gemeinde Unterhaching am 27. November 1997 das Gelände als Ökokonto-Ausgleichsfläche zum Preis von 15,5 Millionen Euro erworben hatte, wurde das Gelände zu dem, was es heute ist, zum Landschaftspark Hachinger Tal, einem Erholungsraum für Menschen, einem Lebensraum für Flora und Fauna.

Interesse an der militärischen Vergangenheit

Was sich aber in jüngerer Vergangenheit zeigt, ist das steigende Interesse der Leute an der wechselvollen Geschichte, insbesondere an der militärischen Vergangenheit des Geländes. So zählte Unterhachings Heimatpfleger Günter Staudter am Tag des offenen Denkmals im Vorjahr 600 Besucher bei seiner Führung durch den ehemaligen Fliegerhorst Neubiberg.

Vor Kurzem hat Staudter einen Diavortrag zur Geschichte des ehemaligen Flugplatzes im Unterhachinger "Treffpunkt" gehalten, und wenige Tage danach füllten etwa 70 Interessenten einen Hörsaal an der Bundeswehruniversität Neubiberg, wo eine Veranstaltung der Volkshochschule Südost und des Archivs der Gemeinde Neubiberg zu dem Thema stattfand. Referent Volker Stanslowski, der bis 2009 im Präsidialbereich der Universität für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, hat vor allem aus Nationalarchiven der Vereinigten Staaten Material zusammengetragen und daraus auch einen Film zusammengeschnitten über die Zeit zwischen 1945 und 1958, als der Flughafen als US-Airbase diente. Der Streifen dauert etwa 35 Minuten. Die Bildqualität lässt allerdings Wünsche offen.

Zu sehen ist unter anderem der "graveyard of the Luftwaffe", wie die Amerikaner die Ansammlung zerstörter Maschinen der Reichsluftwaffe nannten. Stanslowski zeigte auch bewegte Bilder nach dem Ungarn-Aufstand 1956, als ungarische Flüchtlinge von amerikanischen Soldaten in Bussen nach Neubiberg gebracht wurden, von wo aus sie nach Übersee geflogen wurden. Die Zuschauer erfuhren zudem, dass während der Berliner Luftbrücke 1948/1949 die Amerikaner den Transportfliegern Jagdschutz gaben, indem sie den Luftraum überwachten. Manche hätte sich gewünscht, Genaueres über die Örtlichkeiten und Geschehnisse rund um den Fliegerhorst zu erfahren.

In dieser Hinsicht konnte Günter Staudter seine Zuhörer im "Treffpunkt" voll zufrieden stellen. 80 teils noch nie veröffentlichte historische Fotografien beamte der Heimatpfleger auf die Leinwand. So geriet der Abend zu einem Spaziergang durch die Zeit, auf dem die Besucher immer wieder mit den unmittelbaren Auswirkungen des Flugbetriebs für die Bevölkerung konfrontiert wurden, die nicht nur unter dem ständigen Fluglärm leiden musste. Auf einem Foto ist die Versammlung von elf Unterhachinger Grundeigentümern zu sehen, die zur Abgabe von Bodenfläche für den Bau des Militärflughafens gezwungen wurden, auf einem anderen Adolf Hitler bei der Eröffnung der Salzburger Autobahn, auf einem weiteren das KZ-Außenlager für 40 Zwangsarbeiter an der jetzigen Ottostraße.

Großen Raum nahm aber auch die Zeit nach Kriegsende ein. Ein Foto vom 5. Mai 1958 zeigt die offizielle Übergabe des Fliegerhorsts von der US-Airforce an die deutsche Bundeswehr. Und auch vom Aufsehen erregenden Kampf der Unterhachinger Bevölkerung gegen die Sportflieger zeigte er Bilder, etwa von den Protestmärschen unter dem Motto: "Flugstopp Neubiberg." Das letzte, achtzigste Foto, widmete Staudter jemanden, der sich von allem Treiben auf diesem Gelände nicht beeindrucken ließ: einer mehr als hundert Jahre alte Hainbuche.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2017
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