Süddeutsche Zeitung

Unterhaching:Der Rauswurf war nicht so gemeint

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Bürgermeister Wolfgang Panzer kündigt überraschend der Volkshochschule und der Musikschule die Räume im Kubiz, weil sie für die Ganztagsbetreuung der Grundschüler gebraucht werden. Jetzt rudert das Rathaus zurück.

Von Daniela Bode und Iris Hilberth, Unterhaching/Neubiberg

Der Bote klingelte in den Ferien. Bei der Volkshochschule überbrachte er die schlechte Nachricht aus dem Unterhachinger Rathaus persönlich, bei der Musikschule war keiner da, also warf er sie in den Briefkasten. Die Mitteilung an die beiden Institutionen war die gleiche: Sie sollen raus aus dem Kultur- und Bildungszentrum, dem Kubiz, und zwar schon diesen Oktober. Das löste in Unterhaching mächtig Wirbel aus, die Mitglieder des Gemeinderats fielen aus allen Wolken, auch weil das Schreiben sich auf einen Beschluss des Gremiums bezieht. Jetzt versucht man im Rathaus, die Wogen etwas zu glätten.

Es war eine weitere Hiobsbotschaft für VHS und Musikschule, nachdem ihnen aufgrund der angespannten Haushaltslage bereits die Fördergelder gekürzt worden waren. Geahnt hatten sie eine solche Kündigung nicht. Niemand hatte zuvor mit ihnen über solche Schritte geredet. Und erst seit der jüngsten gemeinsamen Sitzung von Finanz- und Kulturausschuss wissen die Verantwortlichen von VHS und Musikschule, was die Gemeinde mit dem Kubiz vorhat: Pläne aus der Verwaltung sehen vor, die Räume von 2026 an für die gesetzlich verpflichtende Ganztagsbetreuung von Grundschülern zu nutzen.

Als Volkshochschulleiterin Barbara Sporrer im Februar das Schreiben von der "Stabsstelle Innere Dienste Mieten und Pachten" öffnete, war der Schock groß. Ein paar dürre Kündigungszeilen mit Bezug auf einen Gemeinderatsbeschluss. Man werde sich unaufgefordert und rechtzeitig zur Rückgabe der Mietsache mit der VHS in Verbindung setzen und bedanke sich für die geleistete Arbeit und die vertrauensvolle Zusammenarbeit. So stand es auch im Schreiben an die Musikschule, das deren Vorsitzender Christoph Hütt nach den Ferien fassungslos in den Händen hielt. Unterschrieben ist es von Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD). Dem schrieb Hütt zurück, dass dieser Dank am Ende des Briefs "eher zynisch" klinge. "Der erste Schreck war groß, es sah nach Abschied aus", sagt der Leiter der Musikschule, Wolfgang Greth. "Das klingt schon sehr entschlossen", findet auch VHS-Leiterin Sporrer.

Tatsächlich hatte der Gemeinderat zugestimmt, die alten Mietverträge von 1994 zu kündigen. Allerdings nur, um sie neu zu verhandeln, weil offenbar auch steuerrechtliche Gründe dafür sprechen. Von einem Rauswurf aus dem Kubiz war nicht die Rede. Mit der Präsentation der Pläne für die Ganztagsbetreuung zu Beginn der Sitzung schwante den Gemeinderäten und Vertretern von Musikschule und VHS aber, was hier los ist. Denn der Vortrag der Rathausverwaltung enthielt bereits eine ganz konkrete Raumverteilung für die Unterbringung der Schüler aus der benachbarten Jahnschule, nämlich in den bisherigen VHS-Räumen. "Das Fell ist verteilt", stellt VHS-Vorsitzender Florian Riegel fest.

Im Gemeinderat sind viele irritiert über das Vorgehen der Rathausverwaltung

Auch im Gemeinderat sind viele irritiert über das Vorgehen. Gerade noch hatte man einen Weg gefunden, die Fördermittel so auszuhandeln, dass beide Institutionen überleben können und nicht mitten im Schuljahr Lehrer entlassen müssen. So soll der Zuschuss für die Musikschule statt wie zunächst von der Gemeindeverwaltung vorgeschlagen 500 000 doch 743 000 Euro betragen. Das sind immer noch 100 000 Euro weniger als ursprünglich beantragt, die Lehrer der Musikschule verzichten dafür auf 6,25 Prozent ihres Gehalts. Das gilt auch für die dazu gehörige Musikschule Neubiberg. "Wir sind ein gemeinsames Lehrerkollegium", betont Schulleiter Greth.

"Es ist gut, dass sich Unterhaching dazu durchgerungen hat. Mit 500 000 Euro hätte es ernsthafte Probleme gegeben", sagt Neubibergs Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU). Gleichzeitig betont er, dass die Musikschule so ausgestattet sein müsse, dass sie ein breites Angebot ermöglicht. Neubiberg selbst hatte 2022 einen Zuschuss von 425 000 Euro gewährt. Die VHS Unterhaching soll 255 000 statt 200 000 Euro bekommen. Ursprünglich beantragt waren 415 000. Um mit der Summe hinzukommen, hat die VHS ihre Gebühren erhöht und einige Kurse ganz gestrichen. Doch nun stellt sich die Frage: Wo arbeitet und lehrt die VHS zukünftig?

Abgesehen davon, dass es schwierig ist, geeignete Immobilien zu finden, und die Musikschule zudem schallisolierte Räume benötigt, fühlt man sich in den beiden Institutionen vom Rathaus wenig wertgeschätzt. "Ich bin seit 34 Jahren Vorsitzender der Musikschule. In dieser Zeit gab es bisweilen Haushaltsprobleme", sagt Hütt. Diese Probleme seien in persönlichen Gesprächen mit den Bürgermeistern und den jeweiligen Kämmerern stets einvernehmlich gelöst worden. "Die VHS Unterhaching ist bayernweit eine Benchmark, die so in eine unglaubliche Situation gebracht wird", sagt VHS-Vorsitzender Riegel.

"Das ist ein Kommunikationsdesaster sondergleichen."

Dem Gemeinderat stößt vor allem die Art und Weise, wie mit den Institutionen umgegangen wurde, übel auf. "Wir müssen die Mieten auf ein neues Niveau heben, aber nicht die VHS und Musikschule in Angst und Schrecken versetzen", sagt Grünen-Fraktionssprecherin Evi Karbaumer. Jetzt müsse richtig diskutiert werden, "alles muss auf den Tisch." Christine Helming von den Freien Wählern sagt: "Klar, wir müssen an das Thema ran. Aber man hätte mit ihnen sprechen müssen." SPD-Fraktionssprecher Peter Wöstenbrink gibt zu, dass man "das alleinige schriftliche Verwaltungshandeln besser machen" hätte können. Und CSU-Fraktionsvorsitzender Korbian Rausch urteilt: "Das ist ein Kommunikationsdesaster sondergleichen."

Das Irritierende an dem Rauswurf ist auch, dass bei einem sogenannten kooperativen Ganztag, wie ihn Unterhaching nach Aussage von Rathaussprecher Simon Hötzl anstrebt, Partner wie die VHS, Musikschule und Sportvereine mit ins Boot geholt werden sollen. Auch weil man nicht unendlich viel Personal dafür finden wird und auf die bewährten Kräfte zurückgreifen muss. Hötzl sagt daher einige Tage nach der Sitzung: "Dass die Mietverträge aufgelöst werden, ist nicht der Endpunkt der Entwicklung." Es müsse noch viel besprochen werden und natürlich gehe es weiter. "VHS und Musikschule müssen im September nicht die Koffer packen und die Räume besenrein übergeben. Auch nicht zum 30.9.24. Für diesen Eindruck entschuldige ich mich", sagt Hötzl und verspricht: "Die Kommunikation wird besser."

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