Süddeutsche Zeitung

Geothermie Unterhaching:Der Spaltpilz

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Die einst als Gelddruckmaschine gefeierte Geothermie-Anlage ist in Unterhaching hoch umstritten.

Von Michael Morosow, Unterhaching/Grünwald

Dass der Erfolg des Unterhachinger Geothermie-Projekts vor zwölf Jahren die ganze Branche im Land befeuert hat, wird von niemandem bezweifelt. Wie Pilze schossen danach die Bohranlagen aus dem Boden, allzumal im Landkreis München, zum Beispiel in Grünwald. Ausgerechnet im Lager der Pioniere kühlt nun die anfängliche Begeisterung für die Strom- und Fernwärme-Anlage bei einigen Gemeinderäten spürbar ab. Grund für den Stimmungswechsel: Das einstige Vorzeigeprojekt hängt immer noch am Tropf der Gemeinde und verschlingt Jahr für Jahr Millionenbeträge, und das selbst nachdem sich die Gemeinde Grünwald 2014 mit 23,5 Millionen Euro bei den Unterhachingern eingekauft hatte und diese somit den Schuldenberg verringern konnten.

Es sei in nichtöffentlicher Sitzung bereits davon die Rede gewesen, das ganze Projekt für einen Euro herzugeben. Der Deal mit der Nachbargemeinde ist währenddessen im Grünwalder Gemeinderat zum Zankapfel geworden. Man habe sich über den Tisch ziehen lassen, beklagen die Sprecher mehrerer Fraktionen.

Herbst 2004: Die ganze Geothermie-Welt blickt nach Unterhaching. An jenem denkwürdigen 27. September schießt am Bohrplatz neben dem Grünwalder Weg thermisches Wasser, begleitet von einer mächtigen Dampfwolke und dem Hurra der Bohrmannschaft, aus 3446 Metern Tiefe nach oben. Heißer als erhofft, in viel größerer Menge, als die kühnsten Optimisten erwartet hatten. Von allen Seiten prasselte danach Lob und Anerkennung ein auf die Unterhachinger Pioniere. Sie hatten es allen Zweiflern und Zauderern gezeigt. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin rühmte das innovative Projekt gar als "mustergültiges Vorhaben im Sinne der Energiepolitik der Bundesregierung" und machte 4,8 Millionen Euro staatlichen Zuschuss locker. Von einem Meilenstein für die Geothermie war die Rede. Und als der Initiator des gewagten Projekts, der damalige Bürgermeister Erwin Knapek, sich am Tag nach dem Hurra für die Fotografen in einem mit heißem Tiefenwasser befüllten Bassin rekelte wie Dagobert Duck im Geldbad, gab dies das passende Bild zur Metapher einer "sprudelnden Einnahmequelle."

Knapek sprach damals gerne auch von einer "Gelddruckmaschine". Mehr als elf Jahre später machen in nicht-öffentlichen Sitzungen des Unterhachinger Gemeinderats andere Metaphern die Runde: "Millionengrab", "Fass ohne Boden", "Sorgenkind des Gemeindehaushalts". Die Euphorie hat sich wie die Dampfwolke am Bohrplatz verflüchtigt, Kassandrarufe machen stattdessen die Runde wie auch das Gerücht, Bürgermeister Wolfgang Panzer und die Mehrheit des Gemeinderats würden lieber heute als morgen das einstige Vorzeigeprojekt loswerden, notfalls für einen symbolischen Euro. Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Unterhachinger Geothermie-Gesellschaft, will zu diesem Gerücht kein Wort verlieren: "Das ist Sache der Gesellschafter." Dieses Gerücht lasse er so stehen, wenn das so wäre, dann müsste eh der Gemeinderat entscheiden", sagt Bürgermeister Wolfgang Panzer. Die Klage aus Grünwald, man sei über den Tisch gezogen worden, bezeichnete Panzer als politisches Geplänkel. Mit den Millionen aus Grünwald konnte sich die Gemeinde in jedem Fall Luft verschaffen, dafür aber gehört ihr nur noch das Netz allein, die Produktionseinnahmen muss sie seither mit Grünwald teilen, was die auf 15 Jahre angelegte Amortisation in die Länge zieht. Geisinger rechnet inzwischen mit 20 Jahren.

Der Gemeinderat Unterhaching ist in punkto Geothermie gespalten. Zu Stellungnahmen erklärt man sich nur ohne namentliche Nennung einverstanden. "Es kann nicht sein, dass der ganze Landkreis bohrt, und wir geben auf", heißt es von der einen Seite. "Er ist in der Welt unterwegs mit der Geothermie, und wir dürfen den Scheiß ausbaden", von der anderen Seite. Mit "Er" ist Altbürgermeister Erwin Knapek gemeint, der seit Jahren Präsident des Bundesverbandes Geothermie (GtV) ist. "Das Erbe, das Herr Dr. Knapek hier hinterlassen hat, ist eine große Belastung für die Gemeinde und keine - wie von ihm propagierte - Gelddruckmaschine", hatte bei den jüngsten Haushaltsberatungen Christian Dollinger (CSU) gesagt. Wie er betrachtet es die gesamte CSU-Fraktion nachträglich als Fehler, neben einem Fernwärmenetz auch eine Stromgewinnungsanlage gebaut zu haben. "Im Gemeinderat herrscht die Meinung vor, je schneller wir das Ding loswerden, umso besser", sagt ein anderer CSU-Vertreter.

Nach Darstellung von Erwin Knapek funktioniert diese Kalina-Anlage hingegen ausgezeichnet. So gut wie alle bisherigen Störungen hätten nicht mit der Kalina-Technik zu tun, so auch der jüngste Störungsfall im vergangenen Sommer, durch den die Anlage vier Monate stillstand und ein Einnahmeverlust von 1,2 Millionen Euro entstand. Es sei der Auffangbehälter für Ammoniak implodiert, nachdem ein Ventil falsch gedreht worden sei, erklärt Knapek den Schadensfall.

Was aber am meisten nerve, so ein Gemeinderat, das seien die Auftritte von Geschäftsführer Wolfgang Geisinger. "Jedes Mal hören wir von ihm, dass dies und das gemacht wird, und nichts trifft ein. Und am Ende kommt er dann mit neuen Hiobsbotschaften daher. Das ist eine Katastrophe." Die ursprünglichen Planzahlen würden nie erreicht, klagt ein anderes Mitglied des Gemeinderats.

Es sitzen nicht mehr viele im Gremium, die der eigenen Geothermie trotz aller Rückschläge bedingungslos weiter die Stange halten. Wie die FDP zum "Sorgenkind Geothermie" steht, das hat Peter Hupfauer schon mehrmals dargestellt. "Weitere Investitionen in die Geothermie lehnt die FDP - wie auch in den letzten Jahren - strikt ab", sagte er etwa bei den jüngsten Haushaltsberatungen.

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SZ vom 13.02.2016
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