Süddeutsche Zeitung

Plakataktion:Die Pharmavertreter

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Landrat und Bürgermeister machen Werbung für Apotheken.

Von Stefan Galler, Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landrat ist in den vergangenen Wochen in und um München ganz groß herausgekommen: Auf Plakatwänden, die "bessere Bedingungen für junge Apotheker" einfordern, war und ist Christoph Göbel (CSU) zu sehen. Versehen ist sein Konterfei auf den Postern mit dem Zitat: "Apotheken gehören zur Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich." Bei der Plakataktion handelt es sich um eine bundesweite Kampagne der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Bürgermeister und Landräte aus der ganzen Republik werben dafür, dem Rückgang der Apotheken in den Orten entgegenzuwirken, indem man jungen Pharmazeuten sicherere berufliche Perspektiven in Aussicht stellt.

Landrat Göbel ist auch nicht der einzige Lokalpolitiker aus dem Landkreis, der sich an der Aktion beteiligt, die vor allem in den sozialen Medien großen Anklang findet: Auch Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD), Gräfelfings Rathauschefin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing/IGG) und Hans Sienerth, parteifreier Bürgermeister von Straßlach-Dingharting, sind unter den rund hundert Politikern, die sich deutschlandweit für die Apotheken stark machen.

Für ihn sei recht schnell klar gewesen, dass er sich - "natürlich ohne finanzielle Gegenleistung" - für die Förderung der Apotheken engagieren wolle, sagt Christoph Göbel auf SZ-Nachfrage. Er habe sich über die Thematik informiert, unter anderem mit dem Ismaninger Apotheker Peter Aurnhammer gesprochen und dann zugesagt, so der Landrat. Dass Kritiker ihm Lobbyismus vorhalten könnten, nimmt Göbel hin. "Es geht um Apotheken, die gerade für ältere Mitmenschen auch wegen der persönlichen Ansprache sehr wichtig sind."

Aber nicht nur das: "Wenn die Apotheke vor Ort wegfällt, fällt auch die Möglichkeit weg, dass ich nachts oder in Notsituationen auf ein Medikament zurückgreifen kann", so der Landrat, der in Apotheken lebenswichtige Elemente der Gesundheits- und Daseinsvorsorge sieht - was sie von anderen Branchen unterscheide. Er würde sich deshalb "jederzeit wieder" für solche Kampagnen engagieren, etwa um das Netz von Hausärzten in strukturschwachen Gebieten zu stärken.

Straßlach-Dinghartings Bürgermeister Hans Sienerth kennt die prekäre Situation, wenn es eben keine Apotheke mehr in einer kleinen Gemeinde gibt: Als er 2007 sein Amt antrat, war dieser Fall gerade eingetreten. "Wir haben dann am Rathaus in Straßlach und beim Kramer in Dingharting Briefkästen angebracht, damit die Leute ihre Rezepte reinwerfen und von Gemeindeseite Verträge mit umliegenden Apotheken gemacht, die am Abend dann die Medikamente geliefert haben." Aber es habe eben keine Beratung gegeben, die gerade für ältere Leute so wichtig sei. "Wir nehmen einfach das Handy und laden uns die nötigen Informationen runter", so Sienerth. "Aber diese Option haben halt die meisten Senioren nicht."

Er habe deshalb um eine neue Apotheke für seine 3000-Einwohner-Gemeinde gekämpft. 2010 fand er in Birgit Schütz eine Apothekerin, die in Straßlach-Dingharting eine Filiale aufmachen wollte, einen geeigneten Standort gab es aber erst, als der Markushof gebaut wurde. 2013 konnten die Geschäftsräume dann eröffnet werden. "Die Apotheke ist der Renner", sagt Bürgermeister Sienerth. Gerade älteren Menschen sei die persönliche Beratung wichtig. Online-Apotheken könnten diese nicht leisten. "Ich besuche im Dorf jede Bürgerin und jeden Bürger ab dem 80. Lebensjahr zum Geburtstag. Da höre ich oft die Freude über unsere Apotheke." Im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschlands, wo es Kritik an der Kampagne mit Lokalpolitikern gab, habe er bisher keine Beschwerden vernommen. "Aber es wäre typisch, wenn auch hier das Haar in der Suppe gesucht werden würde."

Beim Bayerischen Apothekerverband zeigt man sich mit der Resonanz auf die eigene Kampagne zufrieden, das Feedback sei durchweg positiv, sagt Verbandssprecher Thomas Metz. "In Bayern hat es 2009 noch 3447 Apotheken gegeben, heute sind es nur noch 3106. Die Bundespolitik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit es wieder attraktiver wird, dass junge Leute Apotheker werden." Deshalb habe man sich für eine Werbekampagne mit den Lokalpolitikern entschieden. "Die Auswirkungen einer verfehlten Strukturpolitik bekommen die Menschen am Ort zu spüren. Da sind Bürgermeister und Landräte die besten Fürsprecher", sagt der Verbandssprecher.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2019
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