Süddeutsche Zeitung

Nguyen und Dauser:Die Turnbuben aus der Staudter-Schule

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Ursula und Günter Staudter kennen die Olympiamedaillengewinner Nguyen und Dauser schon seit deren Kindheit.

Von Michael Morosow, Unterhaching

Als der TSV Unterhaching seinem erfolgreichen Turn-Olympioniken Lukas Dauser am vergangenen Sonntag in der Bayerwerk-Arena einen großen Empfang bereitete, zählten auch Ursula und Günter Staudter zu den 150 Gästen, die dem Silbermedaillengewinner am Barren zujubelten.

Das versteht sich, sind doch beide Mitglieder des Großvereins, und von Ursula Staudter ist ja hinlänglich bekannt, dass sie dereinst als Übungsleiterin das Talent eines weiteren Unterhachinger Turnstars entdeckt hatte: Marcel Nguyen, zweifacher Silbermedaillengewinner 2012 in London. Am Rande der Veranstaltung stellten sich Günter Staudter und der aktuelle Sportstar Lukas Dauser für ein Foto zusammen, der eine mit der Silbermedaille um den Hals, der andere silbernes Haar auf dem Kopf. Was wohl niemand im Saal wusste: Der 79-jährige Heimatpfleger der Gemeinde Unterhaching war um die Jahrtausendwende Sportlehrer des Buben gewesen.

Nein, die spätere Sportkarriere des Turn-Asses hat er nicht beeinflusst, aber er findet es schon "lustig", dass beide Ausnahmesportler ihre ersten sportlichen Schritte unter der Aufsicht von ihm beziehungsweise seiner Frau getan hatten.

Das sei ein "Riesenzufall", sagt er. Günter Staudter unterrichtete an der Grundschule in Antholing in der Gemeinde Baiern im Kreis Ebersberg eigentlich die Schwester von Lukas. Aber weil auf seinem Zeitkonto allwöchentlich noch zwei Stunden übrig geblieben waren, verbrachte er diese als Sportlehrer an der Grundschule in Glonn, auf die Lukas ging. 2001 oder 2002 sei es gewesen, als er für die Kreismeisterschaft der Grundschulen in Vaterstetten ein Fußballteam zusammenstellen musste. Die Gegner seien einen Kopf größer gewesen, "aber bis die den Fuß gehoben haben, hat ihnen der Dauser den Ball abgeluchst". Ach ja, die Trikots damals habe seine Frau gewaschen.

Fußball oder Turnen?

Eigentlich, so erinnert sich Günter Staudter, hätte Lukas' Vater, der Sportlehrer am Unterhachinger Gymnasium ist, gewollt, dass sein Sohn Fußballer werde. Aber Turnen ist seiner Meinung nach die richtige Wahl gewesen angesichts seiner Körpergröße. Dauser ist heute 1,72 Meter groß, Marcel Nguyen misst 1,65 Meter. Mit langen Beinen komme man beim Turnen nicht weit, das habe auch sein Sohn Dominik gemerkt. "Bis der seine langen Beine über das Pferd brachte..."

Nun gut, was Talentsichtung anbelangt, da können die Staudters natürlich nicht mithalten. Die 76 Jahre alte ehemalige Sport- und Werklehrerin, die tatsächlich viel jünger aussieht und noch eine erstaunliche Beweglichkeit und Spannkraft besitzt, ist ausgebildete Übungsleiterin und steht für den TSV Unterhaching seit nunmehr bereits 52 Jahren auf dem Parkett, gibt Funktionelle Gymnastik, Fitness-Gymnastik, Tanz-Gymnastik mit selbst erarbeiteten Choreographie, Wirbelsäulengymnastik - und eben Mutter-Kind-Turnen. Hier kam ihr Ende der Achtzigerjahre der kleine Bub Marcel Nguyen unter und hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. "Wendig, agil, mit Abstand der Beste in Koordination und Beweglichkeit sei er gewesen, weshalb sie seiner Mutter dringend dazu riet, ihn zum Leistungsturnen zu bringen. Das tat diese schließlich auch, den Rest erledigten der vor einem Jahr verstorbene Unterhachinger Turntrainer Richard Hörle sowie der Landes- und Stützpunktcoach Kurt Szilier.

Ursula Staudter aber kann mit Fug und Recht behaupten, die Entdeckerin eines großen Turners gewesen zu sein, während ihr Mann Günter "nur" der erste Sportlehrer des zweiten olympischen Silberhelden aus Unterhaching war. Und noch einen Unterschied gibt es: Lukas Dauser kann sich nicht mehr recht an seinen Sportlehrer erinnern. "Da war ich noch zu klein", sagt er.

Marcel Nguyen dagegen ist das Mutter-Kind-Turnen mit Ursula Staudter heute noch präsent, und wahrscheinlich kann er immer noch das Lied "Wir fahren mit der Bimmelbahn" mitsingen, das die Kleinen auch heute noch anstimmen, wenn sie nach dem Mutter-Kind-Turnen auf dem Mattenwagen aus der Turnhalle gezogen werden.

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SZ vom 25.09.2021
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