Süddeutsche Zeitung

Garchinger Atomstreit:Der Reaktor spaltet weiter

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Auch die rot-grün-gelbe Bundesregierung duldet im Forschungszentrum Garching weiter den Betrieb mit hoch angereichertem Uran. Doch was, wenn es in die falschen Hände gelangt?

Von Irmengard Gnau, Garching

Die neu gewählte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP sieht derzeit keinen Anlass für eine raschere Umstellung des Forschungsreaktors FRM II, den die Technische Universität München (TU) auf dem Campus in Garching betreibt, von hochangereichertem Uran auf einen niedrig angereicherten Brennstoff oder ein Aussetzen des Reaktors bis zu einer solchen Umstellung. Das hat eine Anfrage der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, der Münchner Abgeordneten Nicole Gohlke, ergeben.

Umweltschützer und internationale Atomrechtsaktivisten befürchten, das Uran aus solchen hochangereicherten Brennstäben könnte, wenn es in die falschen Hände gelangt, zu Atomwaffen weiterverarbeitet werden.

In seiner auf den 5. April datierten Antwort auf Gohlkes Anfrage unterstreicht das von der FDP geführte Bundeswissenschaftsministerium zwar, die Bundesregierung unterstütze internationale Bestrebungen, Forschungsreaktoren auf niedriger angereicherten Brennstoff umzurüsten - "sofern dies technisch und wirtschaftlich machbar ist und auch weiterhin die Qualität der Forschung auf hohem Niveau sicherstellt".

Auf dieser Argumentationsbasis verweist auch die TU seit Jahren darauf, dass man zwar mit Nachdruck daran forsche, aber noch kein auf die spezifischen Anforderungen des FRM II zugeschnittener niedriger angereicherter Brennstoff gefunden sei, obwohl andere Reaktoren bereits umgerüstet wurden.

Laut ursprünglicher Vereinbarung hätte der Garchinger Forschungsreaktor bereits bis 2010 umgerüstet sein müssen, diese Frist verlängerten Bund und Land in Absprache bis 2018. In einer jüngsten Anpassung hatten das CSU-geführte bayerische Wissenschaftsministerium und das damals CDU-geführte Bundesforschungsministerium im Dezember 2020 vereinbart, den Zeitraum noch einmal zu erweitern: Bis Ende 2022 sollen die Forscher Ergebnisse vorlegen, auf deren Basis dann 2023 eine politische Entscheidung getroffen werden soll, sodass die TU möglichst bis Ende 2025 eine Umrüstung beantragen kann. Ziel ist eine Umrüstung "zum frühestmöglichen Zeitpunkt".

Die Grünen im Landtag kritisieren die geplanten Atommüll-Transporte ins nordrhein-westfälische Ahaus

An diesem Zeitplan sieht die Bundesregierung ihrer aktuellen Antwort zufolge "keinen weiteren Anpassungsbedarf"; die Anlage verfüge über eine rechtswirksame Betriebsgenehmigung. Das sei "absolut unverständlich", kritisiert Gohlke, angesichts der Tatsache, dass mit den Grünen nun ja einige der schärfsten Kritiker des Reaktors der Regierung angehörten. Der Forschungsreaktor solle ab sofort nicht mehr mit hochangereichertem Uran betrieben werden dürfen, fordert die Linken-Politikerin, zumal die Endlagerung des entstehenden Atommülls noch nicht geklärt sei.

Die bayerischen Grünen machen sich seit Langem gegen den Fortbetrieb des Reaktors mit hochangereichertem Uran stark und werfen der bayerischen Staatsregierung wie auch der TU als Betreiberin des FRM II Ignoranz gegenüber atomrechtlichen Bestimmungen und internationalen Vereinbarungen vor.

Natürlich werde man von Bayern aus darauf dringen, über das inzwischen grün geführte Bundesumweltministerium bei der Umrüstung des Garchinger Forschungsreaktors anzuschieben, sagt Claudia Köhler, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag. Die Unterhachingerin sieht durchaus gute Chancen, dass sich in dieser Amtsperiode etwas tun wird, weil die Grünen nun Koalitionspartner im Bund sind.

"Eine Verzögerungstaktik wie in der Vergangenheit wird es nicht mehr geben", sagt Köhler. Sie verwahrt sich aber auch dagegen, nur auf den Bund zu zeigen, und verweist auf die Verantwortung der bayerischen Staatsregierung: "Der FRM II ist eine Einrichtung der TU München."

Am Forschungsreaktor in Garching macht man sich indes bereit für einen Abtransport abgebrannter Brennstäbe. Bereits bei Inbetriebnahme der Forschungsneutronenquelle wurde vereinbart, dass diese im Atommüllzwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus gelagert werden sollen, bis sie in ein Endlager für radioaktive Abfälle gebracht werden; ein solches Endlager in Deutschland muss freilich erst gefunden werden.

Mit Dummys haben Mitarbeiter des Heinz-Maier-Leibnitz-Zentrums in Garching (MLZ) bereits die Beladung eigens entwickelter Castor-Behälter geprobt, in denen je fünf Brennelemente transportiert werden können. Diese sollen auf dem Landweg mit einem Spezialfahrzeug nach Ahaus gebracht werden. Noch stehen sowohl die Transport- als auch die Aufbewahrungsgenehmigung im Zwischenlager aus. Diese muss das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung erteilen, bevor ein Transport auf Reisen gehen kann. Beide Genehmigungsverfahren liefen noch, heißt es von dem Bundesamt.

Die Grünen kritisieren die geplanten Transporte: Auf diese Weise würde sich das Abklingbecken am Forschungsreaktor Garching, das mit 47 belegten Plätzen sein maximales Fassungsvermögen von 50 beinahe erreicht hat, wieder leeren und den Weg für einen Weiterbetrieb mit dem bisherigen Brennstoff frei machen.

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