Süddeutsche Zeitung

Mietpreisbremse:Vorbild Garching

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Die Universitätsstadt Garching ist derzeit die einzige Kommune im Landkreis München, in der es einen qualifizierten Mietspiegel gibt. Weil der für das Funktionieren der Mietpreisbremse unerlässlich ist, will Ottobrunns Bürgermeister Kollegen überzeugen, diesem Beispiel zu folgen.

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Universitätsstadt Garching ist die große Ausnahme im Landkreis München. Sie hat seit Mai 2014 wieder einen qualifizierten Mietspiegel. "Das bedeutet, man kann das neue Gesetz zur Mietpreisbremse hier anwenden", sagt Christine Panda, Rechtsanwältin und Vorsitzende des Mietervereins Garching-Hochbrück und Umgebung. Mieter haben dank dieses Instruments die Möglichkeit, sich zu wehren, wenn Vermieter mindestens zehn Prozent mehr als die ortsübliche Miete verlangen. "Aber die Leute müssen selbst aktiv werden", sagt Panda, die noch Aufklärungsbedarf zu dem Gesetz sieht.

Seit 1. August ist die Mietpreisbremse in Kraft, sie wurde mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht und besonders in Ballungsgebieten begrüßt. Zu diesen zählt ohne Zweifel auch der Landkreis München, in dem manche Wohnungsmiete leicht ein Gehalt eines Doppelverdienerpaares schluckt. In der Praxis bringt die neue Mietpreisbremse jedoch nur dann Vorteile, wenn es in den Kommunen Mietpreisspiegel gibt. In Garching gab es eine längere Pause, erzählt Panda, zum Glück aber existiere seit vergangenem Jahr wieder so ein Zahlenwerk zu Vergleichszwecken.

Die Stadt hat 3100 Fragebögen verschickt

Doch ganz so einfach war es nicht. Auf der Homepage der Stadt ist noch einmal kurz das Prozedere beschrieben. Erarbeitet wurde der Mietspiegel vom EMA-Institut für empirische Marktanalysen aus Regensburg unter der Regie der Garchinger Stadtverwaltung, außerdem waren Vertreter des Mieterschutzvereins Garching-Hochbrück und Umgebung sowie des Siedler- und Eigenheimerbundes Garching beteiligt. Insgesamt hat die Stadt im Oktober 2013 Fragebögen an 3103 Personen verschickt, knapp 800 ausgefüllte Bögen kamen zurück. Die Adressaten hatten darin verschiedenste Fragen zu den Mietwohnungen zu beantworten. Letztlich seien 316 Fragebögen als Basis für den neuen Garchinger Mietspiegel verwendet worden. Die Verwaltung fügt hinzu, dass der alte Mietspiegel, der 14 Jahre zuvor erstellt worden war, mit nur 263 Fragebögen erstellt worden war.

Doch dank dieser Vorarbeit können Mieter jetzt handeln. Wenn sie wissen wollen, ob ihre Miete um zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegt, müssen sie rechnen. Die Stadt bietet beispielsweise einen Rechner im Internet an (mietenberechner.net/garching2014/), der immerhin die ortsübliche Miete ermittelt.

Aber auch der Mieterverein hilft, wie Christine Panda betont. Sie nennt ein fiktives Beispiel: Nach langer Suche hat Andreas G. endlich eine Wohnung in Garching gefunden, in die er mit seiner Freundin einziehen will. Die Wohnung, Baujahr 1983, misst 53 Quadratmeter. Dafür weist der Mietspiegel eine Durchschnittsmiete von 10,17 Euro pro Quadratmeter aus. Jetzt kommen noch ein paar Feinheiten dazu. Die Wohnung hat im Wohn- und auch im Schlafzimmer Parkett? Dafür gibt es einen Aufschlag von drei Prozent. Der Balkon, auf dem der Mieter schon seine Grillfeste plant, ist zwölf Quadratmeter groß, das gibt noch einmal einen Aufschlag von sechs Prozent. Dafür bekommt Andreas G. keinen Garagenstellplatz und die Wohnung liegt in einer Anlage mit mehr als zwölf Einheiten, macht zusammen einen Abzug von sechs Prozent.

"Die Mietpreisbremse muss jeder selbst ziehen"

Bleibt unterm Strich ein Aufschlag von drei Prozent und ein Durchschnittsmietpreis von 10,40 Euro. Demnach dürfte der Vermieter 555,40 Euro für die Wohnung verlangen, ohne Nebenkosten. Schlägt er noch zehn Prozent drauf, wären das 610,98 Euro. Tatsächlich jedoch verlangt er 650 Euro plus Nebenkosten von Andreas G. "Das ist eindeutig zu viel", stellt die Mietervereinsvorsitzende fest. Sie rät Andreas G., sofort schriftlich zu reagieren. "Er muss selbst die Mietpreisbremse ziehen." Andreas G. könne den Mietvertrag unterschreiben, dem Vermieter jedoch schriftlich mitteilen, dass er den Teil der Miete, der über dem Limit liegt, ab sofort nur unter Vorbehalt zahlt. Außerdem sollte er den Vermieter auffordern, die Differenz zu erstatten.

Für dieses Beispiel hat Panda bewusst eine Bestandswohnung ausgesucht, bei Neubauten gilt die Mietpreisbremse nicht. Aufpassen müssen auch Mieter, die eine völlig modernisierte Wohnung übernehmen, bei einer Erstvermietung nach umfassender Sanierung gilt das neue Gesetz ebenfalls nicht. Mit Mietspiegel hat Andreas G. also gute Karten, zu seinem Recht zu kommen - außer der Vormieter hat bereits eine höhere Miete als ortsüblich bezahlt. Wenn dieser schon 650 Euro überwiesen hat, muss der Vermieter mit dem Betrag nicht runtergehen, auch wenn er über der Zehn-Prozent-Hürde liegt.

Die Alternative wäre ein Gutachten

Würde Andreas G. die Wohnung in Unterschleißheim oder in Unterhaching mieten, täte er sich aber auf jeden Fall schwer, dem Vermieter nachzuweisen, dass er die zehn Prozent überschreitet. Wohnungsinserate eigneten sich nicht als Beleg für ortsübliche Durchschnittsmieten, sagt Panda: "Da steht ja nur das drin, was der Vermieter haben will." Ein Weg, die ortsübliche Miete zu prüfen, wäre dagegen, ein teures Gutachten von einem Sachverständigen einzuholen. Für die meisten Mieter ist das allerdings keine Option.

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) hat das Problem erkannt und will nun - zumindest für den Süden des Landkreises - einen neuen Vorstoß wagen, um einen Mietspiegel zu erstellen. Er möchte das Thema bei der nächsten Bürgermeister-Dienstbesprechung im September noch einmal auf die Tagesordnung setzen. "Bezüglich der Mietpreisbremse macht es nur dann Sinn, wenn weite Teile einer Region dabei sind", hatte Loderer im Gemeinderat gesagt.

Der Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann jedenfalls empfiehlt seinen Kollegen, den Mietspiegel einzuführen, auch wenn er etwa 20 000 Euro gekostet hat: "Das ist aber gut investiertes Geld, denn sowohl Vermieter wie Mieter haben damit ein Instrument in der Hand, das rechtsverbindlich anerkannt und damit für alle Beteiligten hilfreich ist. Ich für meinen Teil möchte den Mietspiegel daher im Jahr 2016 wieder fortschreiben, damit der Wohnraum in Garching bezahlbar bleibt."

Der Mieterverein Garching-Hochbrück hat circa 600 Mitglieder, der jährliche Beitrag kostet 70 Euro, inklusive Rechtsschutzversicherung. Der Garchinger Mieterverein betreut auch Mieter in Ober- und Unterschleißheim. Mit den Vereinen in Erding und Freising findet eine Kooperation statt, um zu gewährleisten, dass immer ein Ansprechpartner erreichbar ist. Die Beratungen finden mittwochs nach Vereinbarung und telefonisch auch montags und freitags statt, Telefonnummer 089/326 13 64.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2015
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