Süddeutsche Zeitung

Musikschulen:Endlich wieder Blickkontakt

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Musikalische Bildungseinrichtungen nutzen die neue Möglichkeit des Einzelunterrichts, auch wenn sie dafür wegen der strengen Hygienevorgaben zum Teil größere Räume suchen müssen.

Von Angela Boschert, Landkreis

Die Bürotür öffnet sich. Statt am Schreibtisch hat Musikschulleiter Wolfgang Greth neben dem Kopierer hinter seinem Cello Platz genommen und beobachtet, wie sein Schüler am Aktenregal sitzt und den Auftakt einer Sonate spielt. Greth leitet die Musikschule Unterhaching und darf wie alle seine Kollegen seit Montag letzter Woche wieder Einzelunterricht geben. Das gilt überall dort, wo die Sieben-Tage-Inzidenz den Wert von 100 nicht überschreitet, auch im Landkreis München.

Über die Nachricht des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst freute sich auch der Leiter der Rosmarie-Theobald-Musikschule Ottobrunn, Robert Jobst. So konnte er für den Wettbewerb "Jugend musiziert" doch noch live filmen, wie er die Teilnehmer am Klavier begleitet, anstatt seine Aufnahme und die des Schülers von daheim "übereinanderzulegen". Denn ist man gemeinsam in einem Raum und arbeitet miteinander, reicht ein Nicken als Impuls oder ein Blick in die Augen des Schülers, um Lob für eine besonders schön gespielte Stelle zu zollen oder mehr Sorgfalt einzufordern. Jeder, der schon einmal Gesangs- oder Instrumentalunterricht hatte, weiß welche Kraft und Wirkung ein solch kurzer Blick hat. Auch Temponuancierungen werden homogener. Die Kommunikation ohne Worte ist wesentlich für gemeinsames Musizieren.

"Die Schüler haben sich gefreut wie die Schneekönige", sagt Greth selbst voller Begeisterung. Das angepasste Hygienekonzept hat gegriffen. Denn Lehrer und Schüler müssen nun einen Abstand von zwei Metern (bisher 1,5 Meter) halten und sie müssen durchgängig eine FFP2-Maske tragen, sofern es bei ihrem Instrument möglich ist. Auch hat Greth genügend große Räume für den Unterricht gefunden, was nicht ganz einfach war, denn Klassenzimmer in Schulen darf er nicht nutzen. Deshalb wird in Unterhaching, auch am Wochenende, Unterricht etwa im Kubiz und eben in Greths Büro gegeben. Die Sauerlacher Musikschulleiterin Bettina Fuchs musste ebenfalls improvisieren. Die Musikschule hat durch den Brand im Alten Rathaus neben Instrumenten auch Räume verloren, doch helfen Grundschule, Pfarrgemeinde und Gemeinde aus. "Unser Glück fußt auf dem Unglück der anderen", sagt Fuchs. Sie belegte schnell die örtliche Mehrzweckhalle. Und eben ihr Büro.

Ihrem Kollegen in Ottobrunn stehen hingegen eigene Räume am Haidgraben zur Verfügung sowie im Nachbarort Neubiberg die Grundschule und Räume im Floriansanger. In einer "privilegierten Situation" sieht sich Victoria Scherer in Unterschleißheim, denn die musikschuleigenen Räume können durch solche in allen drei Schulen am Ort ergänzt werden.

Dennoch vermisst auch Scherer die Kurse im Elementarbereich mit kleinen Kindern oder für Gruppen und Ensembles. Die sind weiterhin nicht erlaubt. Daher werden in allen Musikschulen die Gruppen aufgeteilt und die Schüler nacheinander statt gemeinsam unterrichtet. In Sauerlach ist sogar eine Schülerin im Unterrichtsraum und die Partnerin wird online dazu geschaltet. Das irritierte Lehrer und Schüler allenfalls ein wenig zu Beginn, wie Fuchs erzählt. "Wir freuen uns wahnsinnig aufs Zusammenspiel", sagt sie.

Doch hatte der Onlineunterricht, der während des Lockdowns praktiziert wurde, auch Positives. Louisa Kindtner, Querflötenlehrerin aus Neubiberg, etwa konnte "sehr nah an den Bildschirm herangehen und den Schülern etwas zur Lippenstellung zeigen". Bei zwei Meter Abstand ist das schwieriger. Eine Lehrerin aus Unterschleißheim hat gesehen, dass ihr Klavierschüler daheim zu tief am Klavier sitzt. Das ist nun korrigiert.

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SZ vom 10.03.2021
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