Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Sound des Sommers:Picknick an der A 8

Lesezeit: 3 min

An der Autobahnraststätte im Hofoldinger Forst trinken Reisende aus halb Europa Kaffee, manche kochen auch auf dem Grünstreifen. Dass es laut ist, stört Touristen und Geschäftsleute nicht. Fernfahrer dagegen suchen sich für ihre Pausen lieber ein ruhigeres Plätzchen.

Von Francesco Collini, Brunnthal

Für die meisten Menschen sind Autobahnraststätten Durchgangsstationen, die im besten Fall ihren Zweck erfüllen. Für andere sind sie aber auch romantisch aufgeladene Sehnsuchtsorte. Die erzählen dann zum Beispiel, dass der Kaffee dort besonders gut schmeckt, weil die Espressomaschinen ständig am Laufen sind. Raststätten sind nie banal. Eines sind sie aber immer: laut.

An diesem Mittag regnet es über der Raststätte Hofoldinger Forst Süd bei Brunnthal, wenige Kilometer südlich von München. Die Autos und Lkw, die auf der A 8 in Richtung Rosenheim rasen, lassen Wolken aus Wasser vom Boden aufsteigen. Zuerst hört man das Brummen der Motoren, dann ein lang gezogenes, gewaltiges Rauschen. Der Takt ist nicht gleichmäßig, aber schnell. Gerade mischt sich der Arbeitsverkehr mit den Urlaubern, die auf den Weg in den Süden oder in die Berge unterwegs sind.

An der Raststätte trifft sich die ganze Gesellschaft. Ein knallroter Ferrari ist ein Dutzend Meter von den Lastzügen geparkt, dazwischen stehen Familienautos, die so voll mit Gepäck sind, dass sie aussehen, als wären sie kurz vor dem Platzen. Hier draußen übertönen die jaulenden Fahrzeuge alles. Wer aber genauer hinhört, entdeckt eine parallele Klangwelt, die im Sommer besonders ausgeprägt ist.

Ein Omelett nach persischer Art auf dem Parkplatz

Bei einer Familie aus Nürnberg köchelt es. Ein großer, dünner Mann im roten Anorak sticht aus dem grünen Bereich vor den Autoparkplätzen heraus. Er rührt langsam die Zutaten in seiner Pfanne um, die er mit einem elektrischen Herd erhitzt. Immer wieder schlägt er ein Ei am Pfannenrand auf und rührt es in der blubbernder Mischung aus Tomaten, Paprika und Zwiebeln unter. Es soll ein Omelett nach persischer Art werden - die Familie hat Wurzeln in Iran.

Der Mann Mitte dreißig - seinen Namen verrät er nicht - ist mit seiner Frau, seinem kleinen Sohn, seinen Eltern und seinem Schwager auf dem Weg nach Bibione. "Einmal kochen wir immer zusammen, wenn wir in den Urlaub fahren. Aber wirklich nur einmal", sagt er lachend. Diesmal ist seine Frau auch noch schwanger, deshalb gönnen sie sich häufigere und längere Pausen. Die ganze Familie sitzt draußen an einem Tisch, die Bäume beschützen sie vom Nieselregen, der durch die Blätter der Bäume raschelt. "Das Kochen ist eine schöne Tradition, das machen wir, damit die Reise in Erinnerung bleibt", sagt die Frau. Ihr Kind ist ungeduldig, "Mamaaa", ruft der kleine Junge gelangweilt, bevor er sich an seine Mutter heran kuschelt.

Kinder gibt es hier viele. Sie reden, lachen, weinen, schreien, spielen. Man hört sie draußen am Parkplatz und drinnen im Restaurant, während die Erwachsenen eine lange Schlange zur Essenausgabe bilden. Das Murmeln der Menschen - auf Deutsch, Holländisch, Italienisch, Dänisch, Französisch, Englisch - kämpft mit dem tiefen Knurren der Kaffeemaschinen. An solchen Tagen sind sie immer am Laufen. Ob der Kaffee tatsächlich besser schmeckt? Die Espressotassen und die Löffelchen geben quietschende Geräusche von sich, beim Umrühren und wenn sie wieder auf die Tellerchen gelegt werden.

"Der Güterverkehr gehört auf die Schiene."

Georg Rädlein trinkt seinen Kaffee lieber draußen - aus dem Pappbecher. Die Alufolie um sein Brot mit Schwarzwälder Schinken knistert, als er sie nach jedem Bissen weiter herunterreißt. Der grauhaarige Rentner war am Vormittag im Süden Thüringens losgefahren. Er und seine Frau Inge wollen nach Südtirol, heute geht es aber erst einmal nach Kufstein: "Ich bin immer durchgefahren, dieses Jahr wollte meine Frau aber eine Pause machen, so haben wir ein Hotel gebucht", erzählt der Mann in seinem ostfränkischen Dialekt.

Er muss fast schreien, um sich hörbar zu machen, so laut ist es auf dem Parkplatz. Er ist an der Raststätte für eine kurze Verschnaufpause. Die Fahrt habe sich wegen eines Unfalls in Nordbayern verzögert. Außerdem sei das Fahren auch wegen der vielen Lkw stressig, sagt Rädlein, während er auf die Autobahn zeigt. Sie belegten ständig die rechte Spur und bildeten eine kilometerlange Schlange, erzählt er. Die Lösung ist für ihn ganz klar: "Der Güterverkehr gehört auf die Schiene."

Einer, der oft auf der rechten Spur stehen muss, ist Mario Axmann. Er fährt Lkw für eine Logistikfirma aus Braunschweig. Zurzeit transportiert er Teile für Solaranlagen durch Oberbayern. Er sei oft in der Gegend unterwegs, erzählt er, aber diese Raststätte meide er eigentlich - wegen der Lautstärke: "Das ist ein Scheiß hier. Viel zu laut", beschwert er sich. Die Autobahn hört man von seiner Kabine auch bei geschlossenen Fenstern. "Auch nachts macht es hier immer wumm, wumm, wumm! Da wird man blöd", erzählt Axmann.

Die Lautstärke an deutschen Rasthöfen sei ein großes Problem für Lkw-Fahrer, es gebe sehr wenige Raststätten mit Schallschutzwänden, sagt er. Deshalb übernachte er lieber an der Bundesstraße. "Und dann beschweren sie sich, dass wir müde werden", fügt er hinzu. Gegen abends wird Axmann wieder in Richtung Norden fahren. Übernachten wird er sicher nicht auf der Raststätte: Für ihn ist sie definitiv kein Sehnsuchtsort.

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Quelle:
SZ vom 03.09.2019
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