Süddeutsche Zeitung

Klimawandel und Landwirtschaft:Melonen statt Braugerste

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Die Getreide- und Kartoffelernte ist wegen des heißen Sommers mager ausgefallen. Schon setzen Bauern auf Soja und Quinoa. Doch auf die Folgen eines Klimawandels ist die Landwirtschaft schlecht vorbereitet.

Von Christina Hertel

Mitten auf einem Maisfeld im Landkreis Dachau züchtet Thomas Barth Melonen. 1600 Stück hat er dieses Jahr schätzungsweise geerntet. Weil es so heiß war, konnte er sie zwei bis drei Wochen früher als sonst pflücken, etwa zum gleichen Zeitpunkt wie Landwirte in Italien. Experimente wie diese wirken exotisch, ein bisschen verrückt. Als "Melonen-Bauer aus Dachau" schaffte es Barth sogar ins Fernsehen. Doch die Region rund um München verändert sich.

Die Temperaturen in den Monaten April bis August waren laut Deutschem Wetterdienst die wärmsten, die jemals in München gemessen wurden. Die Dachauer Melonen störte das Wetter nicht - im Gegenteil. Gerste, Weizen und Kartoffeln allerdings kamen mit der Hitze und der Dürre nicht so gut zurecht. Bauern klagten über Ernteausfälle. Zwar können die Melonen-Bauern Thomas Barth und sein Kompagnon Patrick Kirschner von ihrer Plantage noch nicht leben, doch sie denken daran, sie auszuweiten. Stellt sich die Frage, ob Landwirte auch im Landkreis München in Zukunft neue Wege gehen müssen - wenn solche trockenen und heißen Sommer die Regel werden.

Anton Stürzer, Kreisobmann des Bauernverbandes und Landwirt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, ist von der Vorstellung, eines Tages Melonen auf seinen Feldern anzupflanzen, alles andere als begeistert. "Was will ich denn mit dem Zeug?", fragt er und klingt fast ein wenig entrüstet. Für ihn sei das Wichtigste, dass sich sein Produkt auch vermarkten lasse. Und es sei nun mal so: "Zum Bierbrauen braucht man Gerste und zum Brotbacken Getreide - keine Melonen." Den Klimawandel, sagt Stürzer, spüre er aber tatsächlich und der bereite ihm große Sorgen. "So einen Sommer wie diesen wünsche ich mir so schnell nicht wieder."

Landwirte im ganzen Landkreis hätten mit Ernteausfällen zu kämpfen gehabt. Franz Hartl aus Ismaning zum Beispiel verkauft seine Kartoffeln normalerweise an Hersteller von Pommes frites. Doch weil die Hitze seinen Pflanzen zusetzte, sei die Qualität der Kartoffeln heuer so schlecht gewesen, dass er etwa 25 Tonnen bloß bei einer Stärkefabrik losbekommen habe. Dort erhielt der Bauer nicht einmal die Hälfte von dem, was er sonst verdient.

Schlechte Ernte bei Braugerste

Irgendetwas grundlegend an seinem Betrieb zu ändern, andere Pflanzen anzubauen zum Beispiel, sei nicht so einfach, sagt Hartl. Er habe vor zwölf Jahren einen Kartoffel-Ernter für 60 000 Euro gekauft. Eine Weile halte dieser sicher noch. Zudem müsse er bestimmte Fruchtfolgen auf seinen Feldern beachten und am Ende müsse er schlicht sehen, dass er mit seinen Produkten irgendwie Geld verdient. Sogar Kleinigkeiten zu ändern, sei schwierig. So baut Bauer Hartl auch Braugerste an, doch auch da sei die Ernte dieses Jahr so schlecht gewesen wie noch nie. Es gebe zwar Gerstensorten, die die Hitze und die Trockenheit besser vertragen, sagt der Landwirt. "Aber die Brauereien müssen die auch wollen." Und Brauer von etwas Neuem zu überzeugen, sei ein eher langwieriger Prozess.

Spezielle Tipps oder Schulungen, wie sich Landwirte in der Region auf den Klimawandel einstellen könnten, gibt es im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht. "Was soll ich ihnen denn raten? Wir wissen ja selber nicht, wie die Zukunft wird", sagt Rudolf Gasteiger, der in der Behörde für die Beratung zuständig ist. "Wetterextreme sind ein großes Problem. Aber es muss ja nicht sein, dass der Sommer wieder so heiß wird. Vielleicht wird er nächstes Jahr extrem feucht." Fakt ist aber auch: Die Landwirtschaft im Landkreis hat sich bereits verändert. Vor fünf bis zehn Jahren etwa bauten bloß Farmer in Südamerika auf ihren Plantagen Soja an. Inzwischen gibt es 330 Hektar Soja-Felder im Landkreis München. Das ist zwar nur ein Bruchteil der 20 0000 Hektar großen Ackerfläche insgesamt, doch gerade in den vergangenen Jahren hätten sich immer mehr Landwirte für den Soja-Anbau entschieden, sagt Gasteiger. Mit dem Klimawandel habe das allerdings nur wenig zu tun: Die Nachfrage nach regionalen Produkten steige schlichtweg. Denn in importierten Sojabohnen stecke meist Gentechnik und diese werde hier immer unbeliebter.

Doch dass sich das Klima im Raum München verändert hat und dass das Auswirkungen auf die Landwirtschaft hat, ist nicht bloß ein vages Gefühl - es lässt sich belegen. Annette Menzel, Professorin für Ökoklimatologie an der TU München, hat berechnet, dass Mais im Landkreis heute etwa eine Woche früher reif wird als noch 1990. Auch Getreide können die Landwirte inzwischen immer früher ernten - dieses Jahr etwa zwei Wochen eher als sonst. Gleichzeitig stieg die Temperatur um mehr als ein Grad gegenüber dem Mittel, das zwischen 1961 und 1990 herrschte. Die Forscherin geht davon aus, dass es in Zukunft noch wärmer werden könnte. Ein Anstieg um zwei bis drei Grad sei durchaus möglich. Ende dieses Jahrhunderts könnte am Starnberger See Wein wachsen, meint Menzel. "Oder im Landkreis München, sofern sich dort Platz findet."

Zucchini-Plantagen, Artischocken und Feigen

Auch Peter Doleschel, der sich bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft um den Bereich Pflanzenbau kümmert, beobachtet, dass sich immer mehr Landwirte in Bayern die Klimaveränderungen zunutze machen. Er weiß von Kürbisanbau und Zucchini-Plantagen, sogar Artischocken und Feigen seien kein Thema mehr. Auf einem Feld bei Dachau baut Landwirt Andreas Knab Quinoa an - eine Pflanze, die früher bloß in den Anden in Südamerika wuchs und heute bei Großstadtleuten immer beliebter wird. Für Knab war das Quinoa-Feld ursprünglich nur ein Projekt für seine Masterarbeit. Mittlerweile verkauft er sein Produkt unter anderem an ein hippes Münchner Lokal. Zukunft könnte im Landkreis München laut Pflanzenbau-Experte Doleschel auch die Süßkartoffel haben: "Die Münchner Böden eignen sich gut und die Landwirte besitzen bereits die Technik für den Anbau." Natürlich seien Süßkartoffeln eine Nische, aber wer sie clever nutze, könne so Geld verdienen, glaubt er.

Momentan stellen sich die Landwirte im Landkreis allerdings durch eher kleine Maßnahmen auf den Klimawandel ein. Damit der Boden nicht noch mehr austrocknet, bearbeitet ihn Bauer Paul Wieser aus Haar weniger stark als früher. Und Kreisobmann Stürzer rät, viele verschiedene Früchte anzubauen: "Wenn man mit einer auf die Schnauze fällt, hat man wenigstens noch eine Chance, dass es mit einer anderen klappt."

Problematisch sei - das sagen beide Landwirte übereinstimmend - dass es zu lange dauere, bis neue resistentere Pflanzensorten auf dem Markt sind. Bis sie geprüft und genehmigt sind, vergingen oft viele Jahre, sagt Wieser. In seinen Augen bringt die Politik die Landwirte jedoch in noch größere Schwierigkeiten als das Wetter. Denn Bauern würden sich momentan mehr nach den Förderungen richten als nach einem Klimawandel, von dem niemand genau weiß, wie er aussieht. "Doch auch was heute gefördert wird", sagt Wieser, "kann morgen schon wieder besteuert werden".

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Quelle:
SZ vom 27.10.2018
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