Süddeutsche Zeitung

Planegg:Schlosswirtschaft einsturzgefährdet: Gemeinde sperrt Ortsdurchfahrt

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Nachdem die Rückseite der Ruine zusammengebrochen ist, riegeln die Behörden den Verkehr in der Pasinger Straße aus Sicherheitsgründen ab. Die Sperrung könnte Monate dauern.

Von Rainer Rutz, Planegg

Im Ringen zwischen Gemeinde, Eigentümerfamilie und Denkmalschutzbehörde um die alte Schlosswirtschaft in Planegg könnte nun buchstäblich die Entscheidung gefallen sein: Der hintere Teil des vollkommen heruntergekommenen Gebäudes an der Pasinger Straße ist vor einigen Tagen eingestürzt. Damit dürfte sich eine Renovierung endgültig erledigt haben. Die erste Konsequenz: Straßenbauamt und Gemeinde haben die Staatsstraße 2063 am Dienstag aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt, da Gebäudeteile auf die Fahrbahn stürzen könnten. Das Landratsamt München sprach am Dienstag von "akuter Einsturzgefahr". Damit ist die stark befahrene Verbindungsstraße zwischen München und Starnberg an zentraler Stelle auf unbestimmte Zeit unterbrochen.

Die Gemeinde Planegg und ganz besonders die Familie des im vorigen Jahr gestorbenen Hubert Freiherr von Hirsch bemühen sich seit Jahrzehnten um eine Abrissgenehmigung für die Schlosswirtschaft, das zuständige Landesamt für Denkmalpflege verweigert jedoch eine Zustimmung. Die Behörde will, dass das Haus, dessen Wurzeln auf das Jahr 1410 zurückgehen, renoviert wird - eine Investition, die Millionen kosten würde. Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU), der das Gemäuer als "Schandfleck für Planegg" bezeichnet, spricht von einer "never ending story" - und hat mit der angeordneten Straßensperrung jetzt Ernst gemacht. "Das Thema wird uns zu heiß."

Nafziger wählt noch mehr deutliche Worte: "Jetzt haben wir eine Notsituation", sagte der Bürgermeister am Dienstag zur SZ. Ein neues Gutachten, welches seitens der Eigentümerfamilie erstellt wurde, warnt nach seinen Worten vor der Gefahr eines unkontrollierten Einsturzes, etwa durch Schnee oder Stürme. Ein Teil des Daches auf der hinteren Seite des Gebäudes ist bereits weggebrochen. "Der Gutachter sagt, dass hier kein Dübel mehr halten wird, Gerüste seien sinnlos, die Decke hängt frei in der Luft."

Er habe die Straße daher "in Eigenregie" sperren lassen. Nach einer Besichtigung des Hauses sei ihm "richtig mulmig geworden". Das gesamte Gelände ist jetzt weiträumig gesperrt, Warnschilder sind aufgestellt. Der gesamte Verkehr, einschließlich Linienbussen, wird bis auf weiteres ab Rathaus über die Bahnhofstraße und die Kreuzung an der Tankstelle in die Münchner Straße und Amtmannstraße umgeleitet. Die Sperrung der Staatsstraße 2063 soll bis mindestens Ende des Jahres bleiben. Gerade zu Stoßzeiten dürfte das zu erheblichen Behinderungen in Richtung Krailling und Starnberg führen. Der Bürgermeister will das Straßenstück nach eigenen Worten erst wieder öffnen, wenn die Ruine abgerissen wurde - was ihm zufolge "ganz schnell gehen kann". Bei dem Einsturz der Rückfassade vor wenigen Tagen ist niemand zu Schaden gekommen.

Das älteste Haus Planeggs wird erstmalig um 1410 in Schriftstücken erwähnt. In der Planegger Chronik heißt es: "Das Wirtshaus wurde von Herzog Wilhelm III. zusammen mit dem Schloss und den anderen Ehehaft-Gewerben Schmiede, Bader und Müller in den Jahren 1410 bis 1425 erbaut." An Stellen, an denen der Putz abgefallen ist, kann man heute noch sehen, dass die Mauern ursprünglich mit großen Kieselsteinen erstellt worden sind. Die ehemalige Tafernwirtschaft war eine öffentliche Wirtschaft, die auch zahlende Gäste aufnahm.

Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Schlosswirtschaft mehrfach die Besitzer, mit Beginn des 20. Jahrhunderts endete ihre Zeit als Gasthaus. Direkt daneben entstand eine neue Wirtschaft, die heute zu Büros umgebaut ist. Die alte Taverne, um die es immer stiller wurde, kam auf die Baudenkmälerliste und verkam mit den Jahren immer mehr; dringend notwendig werdende Reparaturen blieben weitgehend aus. Nach 1945 kamen kurzfristig Heimatvertriebene unter, der Bildhauer Wilhelm Müller richtete im Erdgeschoss ein Atelier ein, dessen Überreste man heute noch sehen kann.

Eine komplette Renovierung würde Millionenbeträge verschlingen

Vor knapp 30 Jahren stellte die heutige Eigentümerfamilie von Hirsch erstmals einen Abrissantrag. Planegg will zusammen mit dem Eigentümer dort Wohnungen bauen. Doch der Denkmalschutzbehörde ist der zweigeschossige sogenannte Putzbau mit Krüppelwalmdach und anderen einmaligen historischen und architektonischen Feinheiten als Teil des Gesamtensembles mit dem nahe gelegenen Planegger Schloss zu wertvoll. Die Wirtschaft, heißt es in einer Stellungnahme der Behörde, sei Teil der Bauwerke, "die soziale und wirtschaftliche Aspekte der Schlossgeschichte repräsentieren".

Einer Voranfrage der Familie Hirsch für einen Teilumbau wurde stattgegeben, die ehemalige Taverne blieb davon jedoch unberührt. Ein weiterer Antrag der Familie auf Förderung mit staatlichen Mitteln wurde im Prinzip akzeptiert, die zu erwartenden Summen sind laut Planeggs Bürgermeister allerdings geradezu lächerlich angesichts der prognostizierten Millionenbeträge, die eine komplette Renovierung kosten dürfte. Das Amt fordert im übrigen eine "denkmalfachliche Abstimmung der Instandsetzungsmaßnahmen".

Dafür scheint es nun zu spät zu sein. Seitens der Behörde hieß es am Dienstag, Fachleute seien bereits unterwegs, um sich den Schaden anzusehen. Eine exakte Einschätzung sei aber erst in einigen Tagen möglich, so Behördensprecherin Lea Kramer. Bürgermeister Nafziger gibt der Behörde unterdessen Schuld an dem Einsturz der Rückwand und wirft den Denkmalschützern eine "verbohrte Haltung" und "totale Unflexibilität" vor. Besonders erzürnt ist Nafziger über den Umgang der Denkmalschützer mit dem Rathaus und dem Grundstückbesitzer: "Ein Brief der Gemeinde, in dem wir die Situation kürzlich noch einmal erläuterten, blieb unbeantwortet."

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