Süddeutsche Zeitung

Kunstband:Kleine Großartigkeiten

Lesezeit: 2 min

Der Künstler Heinz Butz hat Generationen von Kunsterziehern geprägt. Kürzlich ist ein Bildband zu seinen bislang wenig beachteten Kleinskulpturen erschienen - mit Werken, die beflügeln.

Von Susanne Hermanski, München

Kann man mit einer 16,7 Zentimeter hohen Rakete, die im Wesentlichen aus Weinkorken besteht, zum Mond fliegen? Und wenn nicht, warum baut man dann so etwas? Heinz Butz, der kein Ingenieur war sondern Künstler, können wir leider nicht mehr fragen. Der Münchner Maler, Zeichner und Akademieprofessor ist im vergangenen Jahr, am 8. August, im Alter von 96 Jahren gestorben.

Dem Thema der Kleinskulptur widmete er sich in seinem langen, umfangreichen Schaffen nur gelegentlich, trotzdem ist dazu nun, einige Monate nach seinem Tod, ein entsprechend kleinformatiger, zauberhafter Bildband erschienen. Butz hat daran noch mitgewirkt. Die meisten Arbeiten darin sind zwischen 1970 und 1992 entstanden. Er schuf sie aus zufälligen, weggeworfenen Fundstücken wie Drahtstücken, Dosen, Flaschen, Glühbirnen und eben auch besagten Korken.

Die Besonderheit dieser skulpturalen Gebilde: Sie besitzen ebenso viel ästhetische Spannung wie Geisteswitz und Poesie. Und viele von ihnen zudem etwas, das die Autoren des Bandes, die Kunsthistoriker Peter Pinnau und Andreas Strobl, als "innere Monumentalität" bezeichnen. Denn diese Miniaturen könnte man sich ohne weiteres bis auf Wolkenkratzer-Höhe extrapoliert vorstellen. Spannungsreich, elegant und doch wie organisch gewachsen sehen die meisten aus. Ihre Vergänglichkeit als Gegenstände des täglichen Bedarfs überwinden sie mit Butz' Hilfe. Ein schöneres Nachleben könnte eine verglühte Glühbirne nie erfahren. Butz wusste offenbar um die Seele der Dinge.

Er selbst war in Dillingen an der Donau geboren und in Augsburg aufgewachsen. Er gehörte zu jener Künstlergeneration, die noch als Soldaten Krieg und Gefangenschaft überlebt hatten. Die Wegwerfgeneration, die auf die Wirtschaftswunderjahre folgte, war nicht seine. Seine Verbindung zur Natur war intensiv. In Augsburg, das er als seine Heimatstadt begriff, war er jung Mitglied der "Naturforschenden Gesellschaft", einem Verein, der eine neue Sammlung von Fauna, Flora und Geologie aufbaute. An der Kunstschule Augsburg hat er Zeichnen, Malerei und Schriftgestaltung studiert, wechselte danach an die Akademie in München, wo er von 1967 an bis zu seiner Emeritierung selbst unterrichtete, zuletzt als ordentlicher Professor für Kunsterziehung.

Werner Asam, einer seiner vielen ehemaligen Studenten, die ihrerseits das Kunstverständnis von vielen Schülern prägten, richtete ihm 1999 in Aichach ein eigenes, neues Museum ein. 2018 erschien, ebenfalls im Sieveking Verlag, bereits eine umfassende Monografie zu seinem Werk. Den "Kleinskulpturen" nun stellen Strobl und Pinnau ein Gespräch mit Butz voran, das sie vor dem Tod des Künstlers mit ihm noch führten und das dann doch noch viele Antworten enthält zum Warum und Wie seiner kleinen, großartigen Arbeiten. Die Frage zur Korkenrakete stellten sie nicht. Aber unstrittig dürfte sein: Sie taugt herrlich zu jeder Mondfahrt, beflügelt sie doch den Geist noch viel besser als drei Flaschen aus dem Medoc.

Heinz Butz, Kleinskulpturen, Texte von Peter Pinnau, Andreas Strobl, 112 Seiten, Hardcover Sieveking Verlag, 25 Euro; die Galerie Jahn und Jahn, Baaderstr. 56b, zeigt vom 27. Jan. bis 4. März die Kleinskulpturen von Heinz Butz

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5729582
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.