Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Saatkrähen:Die schwarze Brut

Lesezeit: 2 min

Von Günther Knoll, München

Rabenvögel sind schlau. Sie wissen, wo sie sicher nisten und wo sie am leichtesten Nahrung finden - in der Nähe menschlicher Siedlungen nämlich. Und so sind sie zu Zivilisationsfolgern geworden, oft zum Ärger derjenigen, denen sie folgen. Denn Menschen können mit den Tieren oft wenig anfangen. Sei sind ihnen fremd, jagen ihnen womöglich sogar Angst ein, produzieren Lärm und Schmutz. Deshalb wollen sie die Vögel möglichst nicht in ihrer Nähe haben. So versuchen sie zum Beispiel gerade in Puchheim mit allen möglichen Mitteln, eine Saatkrähenkolonie zu verlagern. In Unterhaching haben die Krähen zuletzt sogar den Fußballbetrieb lahmgelegt.

Saatkrähen haben bereits einige Strategien entwickelt, um sich die Zivilisation zunutze zu machen. Eine Walnuss knacken? Kein Problem: Die Nuss auf die Straße gelegt, warten, bis ein Auto drüber fährt, und dann rasch den Leckerbissen holen. Zu trockenes und zu großes Brot, das da eine ältere Frau an die Tauben auf dem Friedhof verfüttert? Auch kein Problem: das Stück einfach ins nächste Weihwasserbecken legen und warten, bis es aufgeweicht ist. Und als kürzlich alles unter einer geschlossenen Schneedecke lag, kam das per Rasenheizung freigelegte Spielfeld in Unterhaching den Vögeln wie eine Essenseinladung vor.

Mit Ballons gegen die Krähen

Sie kamen zu Hunderten und malträtierten auf der Suche nach Würmern, Larven und Käfern den Rasen der Spielvereinigung so sehr, dass die sogar ein Spiel absagen musste. Freistoß-Pappkameraden und Eckfahnen wurden als Vogelscheuchen zweckentfremdet, die Platzwarte waren ständig unterwegs. Doch kaum machten die um 16 Uhr Schluss, waren die Krähen wieder da. Dieses Problem erledigt sich von selbst, wenn der Schnee wegtaut und Nahrung wieder leicht zu finden ist. Außerdem ziehen die meisten Saatkrähen im März wieder in ihre weiter nordöstlich gelegenen Brutgebiete.

Doch manche bleiben auch da: In Puchheim versucht man, mit roten Luftballons die Vögel dazu zu bringen, ihre Nester aufzugeben, weil sich Anwohner an Gekrächze und Kot stören. Die Vertreibung mit Lärm hatte keinen Erfolg: Die Kolonie splittete sich auf und mit ihr auch das Problem. Und das Zerstören von Nestern hatte nur zur Folge, dass die Krähen anderswo neue bauten. Immer nahe von Siedlungen, denn dort dürfen sie nicht bejagt werden. Im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Rabenkrähen, stehen Saatkrähen unter Schutz - nachdem sie früher als Schädlinge gezielt vernichtet wurden.

5000 Tiere in den Isarauen

Dabei ist ihr Name eigentlich Rufmord, denn zum großen Teil fressen Saatkrähen Würmer, Spinnen und Käfer. Inzwischen hat sich ihr Bestand in Bayern wieder erholt. 1955 wurden nur noch 600 Brutpaare landesweit gezählt, heute sind es wieder mehr als zehnmal so viele.

Dazu kommen im Winter ihre Verwandten aus dem Norden - und das in Schwärmen: In Freising wurden zuletzt an einem Schlafplatz in den Isarauen an einem einzigen Abend gut 5000 Tiere gezählt. Doch zur bald beginnenden Brutzeit sind die bayerischen Saatkrähen dann wieder unter sich. So lange sie ihre Brutkolonien fernab menschlicher Siedlungen bilden, gibt es auch keine Probleme. In Unterschleißheim zum Beispiel sind die Vögel sogar Ziel naturkundlicher Führungen.

Das Umweltministerium hat eigens ein "Konzept zum Umgang mit Saatkrähenkolonien" erstellen lassen. Wenn die Vögel sich aber einen Nistplatz ausgesucht haben, sind sie nicht so einfach zu vertreiben. Vielleicht haben sie ja längst eine Gegenstrategie entwickelt. Und die krächzen sie sich ganz leise zu.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2364071
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.02.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.