Süddeutsche Zeitung

Null Acht Neun:Mia san Bier

Lesezeit: 1 min

In den WM-Stadien von Katar herrscht Alkoholverbot. Aber was wird dann aus der guten, alten Weißbierdusche? Eine kleine Geschichte der überschäumenden Siegesfreude.

Glosse von Nadeschda Scharfenberg

Spätestens jetzt müsste es jedem Münchner und jeder Münchnerin dämmern, dass bei der WM in Katar Hopfen und Malz verloren ist. Ständig tröpfeln neue Bier-Meldungen herein, erst hieß es, eine Halbe auf dem Stadiongelände solle umgerechnet 13,20 Euro kosten und damit selbst manche Wiesn-Mass ins Abseits stellen. Dann wurde kolportiert, dass pro Person nicht mehr als vier Becher gekauft werden dürfen, was für Bayern, die nach zwei Mass noch Auto fahren können, ein Witz ist. Und jetzt hat das Gastgeberland doch noch in letzter Sekunde ein komplettes Alkoholverbot verhängt. Klingt nicht eben nach einem berauschenden Fußballfest.

Dabei, das lässt sich aus Münchner Sicht sagen, gehören Fußball und Bier zusammen wie Elf und Meter oder Lothar und Matthäus. Im Mai 2000, am Ende von Loddars letzter Saison beim FC Bayern, wurde die Weißbierdusche erfunden, allerdings war er ein paar Wochen zuvor in ein Land gewechselt, in dem sich siegreiche Spieler lieber mit einer Plörre namens Gatorade nassmachen. Und so verpasste er den historischen Moment, als Bayer Leverkusen mit einem 0:2 in Unterhaching Vizekusen wurde und Bayern doch noch Meister. Nach Schlusspfiff schüttete Giovane Elber aus überschäumender Freude seinem Trainer Ottmar Hitzfeld das Siegerbier über den Kopf, anstatt sich eine ordentliche Eckfahne anzutrinken.

Von da an war die Bierdusche flüssiger Bestandteil einer jeden Bayern-Meisterfeier. Als überragender Nassmacher gilt der belgische Hüne Daniel van Buyten, der seine Mitspieler gleich im Dutzend erledigte. Aber auch wuselige Typen wie Hasan Salihamidžić oder Mehmet Scholl sind in dieser Disziplin nicht zu unterschätzen, wie Uli Hoeneß schmerzvoll erfahren durfte: 2005 zog er sich auf der Flucht vor "diesen zwei Trotteln" einen Muskelfaserriss zu. Er hatte unter allen Umständen eine trockene Hose behalten wollen, weil er noch ins Sportstudio musste. Louis van Gaal machte seine Sache 2010 besser: Zum Ende seiner ersten Saison als Bayern-Trainer wechselte er in der Halbzeitpause des letzten Bundesligaspiels seinen teuren Anzug gegen schnell trocknende Sportklamotten. 2017 wurde die Bierdusche mit der Aufnahme in den Duden geadelt.

In Katar werden sich die künftigen Weltmeister nun also wohl mit alkoholfreiem Bier duschen müssen - von der US-Brauerei, die die exklusiven Ausschankrechte hält. Dann vielleicht doch einfach Gatorade?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5698616
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.