Süddeutsche Zeitung

Debatte um Stadionauslastung:Innenminister kann sich Fans bei EM-Spielen vorstellen

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Können die drei Fußballspiele in München mit Zuschauern stattfinden? Joachim Herrmann findet, dass das "stimmungsmäßig ein großer Gewinn" wäre. Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Bayern kann das nicht nachvollziehen.

Von René Hofmann

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat angedeutet, dass es doch Spiele der Fußball-Europameisterschaft vor Zuschauern in München geben könnte. Dem Sportmagazin kicker sagte er mit Blick auf die Fröttmaninger Arena: "Es ist ja ein Riesen-Stadion. Wenn wir zum Beispiel nur jeden siebten Platz besetzen würden, würden sich 10 000 Menschen dort versammeln, was stimmungsmäßig ein großer Gewinn gegenüber einem völlig leeren Stadion wäre."

Die von der Europäischen Fußball-Union Uefa geforderte Garantie für eine Zulassung von Fans bei der EM, die am 11. Juni beginnen und in zwölf Ländern ausgetragen werden soll, kann München in der derzeitigen Pandemielage nicht geben, dies sei laut Herrmann auch "seriös" von der Stadt. Jedoch sei es "nicht mehr unvorstellbar, Zuschauer reinzulassen, die geimpft oder negativ getestet sind". Dies würden "bis zum Juni Millionen sein, also muss ich über eine Rückkehr von Zuschauern nachdenken dürfen".

In München sollen drei Gruppenspiele ausgetragen werden (15., 19. und 23. Juni) sowie ein Viertelfinale (2. Juli). Die Uefa fordert von allen Austragungsorten die Zusicherung, ihre Stadien zu mindestens 20 Prozent auszulasten. Neun Städte haben dieses Versprechen inzwischen gegeben. Wie München waren Rom, Bilbao und Dublin nach der Abgabe eines ersten Konzeptes zum Nacharbeiten aufgefordert worden. Die italienische Hauptstadt, in der am 11. Juni das EM-Eröffnungsspiel angepfiffen werden soll, ist dem inzwischen nachgekommen. Sport-Staatssekretärin Valentina Vezzali teilte am Dienstagabend mit, dass bis zu 25 Prozent der Sitzplätze im Olympiastadion in Rom besetzt werden können. In Irland gibt es Erwägungen, möglicherweise nicht in Dublin zu spielen, sondern in einer anderen Stadt, in der das Infektionsgeschehen niedriger ist.

Von ähnlichen Plänen für Deutschland hält DFB-Präsident Fritz Keller nichts. Der Chef des Deutschen Fußball-Bundes sandte am Dienstag im ZDF ein deutliches Zeichen an die bayerische Politik: "Wir brauchen einfach die Garantie oder zumindest die Möglichkeit, wie es die Uefa gefordert hat, dass wir es mit 20 Prozent hinbekommen, wenn die pandemische Lage es erlaubt", so Keller.

Die finale Entscheidung zu den Spielorten hat die Uefa für Montag angekündigt, dann tagt das Exekutivkomitee des Verbandes. Diesem gehört DFB-Vizepräsident Rainer Koch an. Auch er äußerte sich nun erneut: "Niemand ist Hellseher, aber deutlich erhöhte Impfzahlen, bessere Testsysteme und das wärmere Klima im Juni stimmen mich durchaus hoffnungsfroh", so Koch im kicker: "Die Uefa möchte München unbedingt dabeihaben." Wie sehr, das lässt sich auch an einer Aussage von Daniel Koch ablesen, dem medizinischen Berater der Uefa. Der Schweizer Arzt sagte der Sportschau: Er hoffe, "dass München einen Weg findet, damit das Ganze mit Zuschauern stattfinden kann".

Für die Uefa sind die Ticketerlöse wichtig, und Deutschland ist mit seinen vielen Fans und Freizeitsportlern ein zentraler Markt. Dem DFB wiederum kann die Aussicht nicht gefallen, bei der ersten paneuropäischen EM nicht direkt am Ball zu sein. Aber auch für die Politiker steht einiges auf dem Spiel. Wenn bald Bilder um die Welt gehen, wie andernorts fröhliche Fußballfeste gefeiert werden, könnten Fragen laut werden, wieso Ähnliches hierzulande noch nicht möglich ist.

In der vergangenen Woche hatte es ein Treffen zwischen Markus Söder (CSU) und Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gegeben. Unmittelbar nach diesem hatte der bayerische Ministerpräsident eine Festlegung in der Zuschauerfrage vermieden; zuletzt hatte er dem BR zu dem Thema gesagt: "Je nach der Gesundheitslage muss natürlich der Infektionsschutz an erster Stelle stehen - aber wir hoffen, dass wir das alles gut miteinander verbinden können." Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte am Mittwoch zu Herrmanns Idee mit 10 000 Zuschauern: "Das ist auch eines der von uns vorgeschlagenen Szenarien." Alles aber hinge "von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab".

Eine klare Position hat die Deutsche Polizeigewerkschaft. Ihr Landesvorsitzender Jürgen Ascherl sagte der Bild-Zeitung: "Unsere Kolleginnen und Kollegen sind durch Corona einsatzmäßig extrem ausgelastet, manche sind jedes Wochenende wegen Corona-Demos im Einsatz. Und jetzt sollen EM-Spiele mit Zuschauern stattfinden? Viele meiner Kollegen verstehen da die Welt nicht mehr."

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SZ vom 15.04.2021 / sz
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