Süddeutsche Zeitung

Energiewende:"Es könnte das Ende der großen Windkraft sein"

Lesezeit: 3 min

Energie-Experte Bernhard Schulze über die Folgen eines erweiterten Mindestabstandes der Rotoren zur Bebauung.

Von Stefan Salger

Bernhard Schulze kümmert sich in der jüngst gegründeten Entwicklungsgesellschaft Erneuerbare Energien im Brucker Land, einer hundertprozentigen Tochter der Stadtwerke, um das gesamte Spektrum der alternativen Energiegewinnung. Nur einige Meter entfernt vom Haus des Oberschweinbacher Bürgermeister dreht sich zudem das bislang einzige Windrad im Landkreis - 13 Meter über dem Boden.

SZ: Vieles deutet darauf hin, dass der Bundesrat auf Druck Seehofers den Ländern das Recht einräumen könnte, den Mindestabstand zwischen einer Windkraftanlage zur Bebauung festzulegen. Im Fall einer 200 Meter hohen Anlage könnte dann der zehnfache Abstand, also 2000 Meter vorgeschrieben werden. Wäre das das Aus für die Windkraft im Landkreis?

Bernhard Schulze: Es könnte das Ende der großen Windkraft sein, das ja. Denn es würden wohl nahezu keine Konzentrationsflächen in Bayern übrig bleiben, auf der Investoren eine solche Anlage errichten könnten.

Aber auch von anderer Seite droht Ungemach. Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin geht es um eine Novellierung des Erneuerbare Energiengesetzes (EEG). Einspeisevergütungen sollen gesenkt und nur noch gute Standorte gefördert werden.

Da müsste aber erst einmal festgelegt werden, was unter einem guten Standort verstanden wird. Dreh- und Angelpunkt ist doch die Frage, ob die künftige Regierung die Energiewende vorantreiben will. Dabei ist auch klar, dass die Windkraft alleine nicht die Atomkraftwerke ersetzen kann. Wir brauchen in vielen Bereichen eine dezentrale Erzeugung. Wir brauchen Biogas, intelligente Netze und auch Speichermöglichkeiten für Strom, der per Fotovoltaik erzeugt wird. Fotovoltaik könnte zu größeren Anteilen den Eigenbedarf decken, wenn Batterien zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen. Ich denke, dass 2014 auch Brennstoffzellen auf den Markt kommen werden. Noch einmal: Wenn die Staatsregierung weniger Windkraft will, muss sie für Alternativen sorgen.

Stichwort Eigenbedarf: Sie betreiben eine kleine Windkraftanlage. Könnte das auch an anderen Standorten im Landkreis eine Alternative sein, sofern sich München und Berlin durchsetzen?

Wenn die Anlagen deutlich niedriger werden müssen, dann wäre die aktuelle Einspeisevergütung wohl zu niedrig für den wirtschaftlichen Betrieb. Da würde sich kein Investor finden. Um das zu ändern, müssten Vergütungen angehoben werden.

Kleinere Anlagen müssten also stärker gefördert werden. Oder wäre es möglich, die Quote des Eigenbedarfs zu erhöhen - denn es wäre doch lohnend, auf die etwas mehr als neun Cent pro Kilowattstunde zu verzichten, dafür aber weniger als die etwa 25 Cent für den Strom aus der Steckdose zahlen zu müssen.

Für meine Anlage bekomme ich in der Tat eine auf 20 Jahre garantierte Vergütung von etwa 9,3 Cent, die auch für große Anlagen gilt. Etwa vier Fünftel des von mir produzierten Stroms nutze ich selbst, sonst würde sich die Anlage sowieso gar nicht rechnen. Ich denke, dass ich in 20 Jahren letztlich plus minus null herauskomme. Allerdings würde sich das für jemanden ändern, der sich sein Windrad mit einem Kredit finanzieren würde und dafür auch noch Zinsen zahlen müsste.

Welche Hürden gibt es für solche Kleinwindanlagen?

Keine großen. Bis zu einer Höhe von zehn Metern sind die Anlagen genehmigungsfrei, man kann sie theoretisch auch auf Hausdächer bauen. Das Problem ist aber: Je kleiner eine Anlage, desto weniger rentabel ist sie.

Kann man das in Zahlen festmachen?

Eine Ein-Kilowattanlage kostet etwa 5000 Euro. Meine Sechs-Kilowatt-Anlage umgerechnet 3000 bis 4000 Euro pro Kilowatt . Bei einer sehr großen Anlage sinkt der Betrag auf etwa 1500 pro Kilowatt.

Die Stadtwerke planen für 15 Millionen Euro drei Windkraftanlagen, mit deren Strom 5000 Haushalte versorgt werden könnten. Die messen jeweils bis zur obersten Rotorspitze fast 200 Meter und sollen an der Bundesstraße 2 gebaut werden, in dem Bereich, in dem die Kommunen Fürstenfeldbruck, Maisach und Mammendorf aneinanderstoßen. Der Bauantrag wurde bereits Ende 2012 beim Landratsamt eingereicht. Gilt da Bestandsschutz?

Das glaube ich nicht. Das dürfte alles von den politischen Beschlüssen abhängen, und die wurden bislang ja noch nicht gefasst. Da gibt es keine Planungssicherheit. Aus diesem Grund haben ja auch die Münchner Stadtwerke ihre Investitionen aufgeschoben. In dieser Situation werden alle potenziellen Investoren erst einmal abwarten.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2013/fzg
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