Süddeutsche Zeitung

Hilfseinsatz nach der Unwetterkatastrophe:Unvorstellbare Zerstörung

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Die Mitarbeiter der Moosburger Hilfsorganisation "Navis" sind in Bad Neuenahr-Ahrweiler im Einsatz, um dort nach der Unwetterkatastrophe die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser zu sichern. Was sie dort gesehen haben, erinnert sie an ein Erdbeben.

Von Melanie Glinicke, Moosburg

"Man kann sich diese Zerstörung gar nicht vorstellen, es erinnert mich an das Erdbeben in Haiti 2010, wo alles brach lag und große Betongebäude zusammengebrochen sind", sagt Wolfgang Wagner, der Vorsitzende des Moosburger Vereins Navis. Nur spricht er nicht von Haiti oder einer anderen Katastrophe im fernen Ausland, sondern von den Zuständen in der Region Bad Neuenahr-Ahrweiler, ein von der Unwetterkatastrophe in Deutschland betroffenes Gebiet, in welchem die reguläre Wasserversorgung nicht mehr möglich ist. Die Hilfsorganisation Navis gibt es bereits seit 2006 und hat bei vielen Katastrophen, meist allerdings im Ausland, geholfen. Nun sorgen die freiwilligen Helfer des Vereins für Trinkwasser und technische Hilfe in Ahrweiler.

Schlauchmaterial, Pumpen und Notstromaggregate von der Feuerwehr

Am vergangenen Samstag um 16 Uhr sei der Verein von der Region offiziell angefordert worden, berichtet Wolfgang Wagner. "Dann haben wir unsere Helfer kontaktiert, die Techniker sind dann ins Lager und haben alles vorbereitet, was wir mitnehmen wollen. Parallel dazu waren wir mit dem Kreisbrandrat Manfred Danner in Kontakt, dadurch bekamen wir die Unterstützung von 37 Feuerwehren aus dem Landkreis. Sie haben uns Schlauchmaterial, Pumpen, technische Geräte und Notstromaggregate gegeben", so Wagner. Ein Lastwagen wurde dann von der Moosburger Firma Heinz zur Verfügung gestellt. Die ganze Organisation habe nur von Samstag, 16 Uhr bis Sonntag, 15 Uhr gedauert, dann sei der Hilfskonvoi abgefahren. Mit dabei sind sieben Personen aus dem Verein Navis und vier Feuerwehrmänner aus Allershausen. "Sie haben sich spontan dazu entschieden, Mitglieder von Navis zu werden", erzählt Wagner.

Im Einsatzgebiet gehe es nun darum, die Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. "Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass sauberes Trinkwasser genauso wichtig ist wie medizinische Versorgung", so Wagner. In Ahrweiler seien die Leitungssysteme "so wie die Häuser zusammengebrochen." Das Team aus Moosburg sorgt mit Trinkwasseraufbereitungsanlagen nun für die Versorgung der Betroffenen. Mit diesen Geräten kann Wasser einfach direkt aus einem Fluss angesaugt und anschließend gereinigt werden, wie Wagner erklärt. Pro Stunde könne man damit 5000 Liter Wasser schaffen. "Das Wasser wird dann entweder zum Abholen bereitgestellt oder Wagen der Feuer- oder Bundeswehr liefern es in schwer zugängliche Orte", sagt Wagner.

Auch das THW und die Johanniter wären sofort einsatzbereit

Geplant ist, dass die Helfer aus dem Landkreis Freising vorerst eine Woche bleiben sollen. "Sie sollen die Leute vor Ort mit unseren technischen Geräten vertraut machen, die lassen wir dann dort solange sie benötigt werden", erklärt Wagner. Je nach Lage würde man dann entscheiden, ob ein neues Team in das Gebiet geschickt werden sollte. Die Dankbarkeit von Wolfgang Wagner gegenüber den Helfern ist groß. "Das ist für sie ja auch gefährlich. Bei der Abreise am Sonntag hatten wir katholische und evangelische Pfarrer da, die einen Reisesegen ausgesprochen haben. Sie sollen heil wieder heimkommen, aber auch die Kraft haben, den Menschen vor Ort zu helfen und ihnen Mut zu machen." Weiter betont er noch, dass es sich zu 100 Prozent um ehrenamtliche Tätigkeit handele, die Helfer würden dies in ihrem Urlaub machen. "Am Sonntag sind aber alle mit Freude und Kameradschaft losgefahren, das ist wirklich schön und wie ich immer sage: Helfen macht seliger als Nehmen", so Wagner. "Wenn man die Kraft und die Leute hat, ist es auch ein Gebot der Nächstenliebe zu helfen", sagt er.

Laut Eva Zimmerhof vom Landratsamt Freising sind auch das Technische Hilfswerk (THW) Freising und die Johanniter einsatzbereit. "Das THW kann beispielsweise Brücken bauen, und die Johanniter können sich um Verpflegung und Betreuung der Einsatzkräfte kümmern. Beide sind bereit und könnten kurzfristig auf eine Anfrage reagieren", so Zimmerhof. Auch sie betont den Einsatz und die Bereitschaft der Landkreisfeuerwehr, ihre Geräte für Navis zur Verfügung zu stellen.

Wagner ist froh über die anderen Organisationen und die gute Zusammenarbeit im Raum Freising. "Da herrscht wirklich keinerlei Konkurrenz, das BRK hat uns zum Beispiel auch mal geholfen und uns einen Lastwagen zur Verfügung gestellt. Navis erfüllt ein Modul, ist ein Mosaikstein im Gefüge, und wenn das zusammenpasst, dann kann man auch etwas Gutes machen", sagt Wagner.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2021
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