Süddeutsche Zeitung

Europawahl 2019:Für die Natur ist die EU ein Segen

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Die EU wacht darüber, dass die wertvollsten Flächen auf dem Kontinent erhalten bleiben. Allein im Landkreis Freising gibt es sechs FFH-Gebiete, dazu zählen Ampertal, Isarauen und die Heidelandschaften im Süden.

Von Alexandra Vettori, Freising

Für den Naturschutz, auch im Landkreis Freising, ist die Europäische Union ein Segen, daran gibt es für Christine Margraf, Artenschutzreferentin beim Bund Naturschutz, keinen Zweifel. Sechs Flora-Fauna-Habitat-Gebiete gibt es allein im Freisinger Land, vom Ampertal über ein Kammmolch-Gebiet im Kranzberger Forst bis zu den Heiden und Lohwäldern im Süden. Zwar standen die Gebiete teilweise schon unter Naturschutz, bevor die EU 1992 ihre Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien (FFH) aufstellte, doch davor, so Margraf, "war der nationale Schutz dort, wo niemand etwas dagegen hatte". Nicht einmal die Isarauen, vom Stück zwischen Hangenham und Moosburg abgesehen, waren davor naturschutzrechtlich geschützt.

Ende der Neunzigerjahre aber trat die EU mit dem Ziel an, die wertvollsten Naturräume in Europa zu erhalten, und es war kein leeres Versprechen. Denn die Richtlinien für die FFH-Gebiete sahen unter anderem zwei neue, strenge Bestimmungen vor: das Verschlechterungs-Verbot und Management-Pläne zum Erhalt der Lebensräume. Dazu muss seither alle sechs Jahre ein Bericht vorgelegt werden, wie es um Pflanzen und Tiere steht. Schaut es nicht gut aus, müssen konkrete Pläne zur Verbesserung vorgelegt werden, deren Erfolg spätestens nach weiteren sechs Jahren auch überprüft wird. "Da muss wirklich was passieren, da ist jemand dahinter. Das ist ein enormer Fortschritt", so Margraf. Die europaweite Ausweisung von Schutzgebieten weitete laut Margraf außerdem die Blickwinkel auf grenzüberschreitende Naturräume. "Arten kennen auch keine Grenzen", sagt sie und nennt die in ihrem Bestand stark gefährdete Gelbbauchunke, für die es dank EU-Naturschutz auch im Landkreis Hilfsmaßnahmen gibt. Die Unke, so Margraf, "ist eine Mitteleuropäerin, da tragen wir alle Verantwortung".

Die EU führt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Die besondere Qualität der FFH-Gebiete im Landkreis, dessen Besonderheiten Christine Margraf als Freisingerin sehr gut kennt, sei ihre Größe. So durchlaufen Ampertal und Isarauen den gesamten Landkreis und reichen darüber hinaus. An die Heiden im Süden schließen größere Flächen im Landkreis München an. Allerdings hinkt Deutschland sehr hinterher, was das Erfüllen der Richtlinien, vor allem das Aufstellen der Managementpläne, anbelangt. So sehr, dass die EU seit einigen Jahren sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland führt. Werden nicht endlich sämtliche Maßnahmenpläne für alle gemeldeten deutschen Schutzgebiete vorgelegt, drohen hohe Strafzahlungen.

Dass auch der FFH-Status kein hundertprozentiger Schutz gegen Großprojekte ist, das hat ein Beispiel im Landkreis gezeigt: Die dritte Startbahn für den Flughafen wurde genehmigt, obwohl das Areal im FFH-Gebiet Erdinger Moos und einem europäischen Vogelschutzgebiet liegt. Christine Margraf erinnert sich noch an die Argumentation: Das öffentliche Interesse bei der dritten Startbahn wiege so hoch, dass dies eine teilweise Zerstörung des Schutzgebietes rechtfertige.

Der Bund Naturschutz sieht Widersprüche mti EU-Agrarpolitik

Zuletzt 2015 scheiterte der Bund Naturschutz mit einer Klage beim Bundesverwaltungsgericht, in der er eine intensivere Klärung des tatsächlichen Bedarfs forderte. Sobald aber ernsthafte Bestrebungen erkennbar seien, die Startbahn-Pläne wieder aufzunehmen, "reichen wir sofort eine schon vorbereitete Beschwerde bei der EU ein", kündigt die BN-Artenschutzreferentin an.

Und sie verhehlt auch nicht, dass es einen weiteren Aspekt gibt, der Naturschützern sauer aufstößt, die EU-Agrarpolitik. "Da gibt es immer noch viele Vorgaben und Förderprogramme, die dem Naturschutz zuwiderlaufen", kritisiert Margraf. Deshalb sei die Europawahl so wichtig, schließlich müsse das Parlament dem EU-Haushalt zustimmen: "Je nachdem, wer im Parlament ist, bestimmt auch über die EU-Agrarsubventionen ."

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SZ vom 15.05.2019
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