Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Sparkassen streichen Sparverträge

Lesezeit: 3 min

Grund dafür ist die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Andere Banken in Erding wollen nicht nachziehen. Offen halten sie aber, Negativzinsen in Zukunft an Privatkunden weiterzugeben.

Von Sara Maria Behbehani, Erding

2500 Kunden verlieren bei der Sparkasse Erding-Dorfen zum 31.10.2019 ihre Sparverträge. Betroffen von den Kündigungen sind Prämiensparverträge mit einer bisherigen Laufzeit von 15 Jahren, bei denen es keine vertraglich festgelegte Laufzeit gibt. Andere Banken in Erding schließen derzeit Kündigungen von Sparverträgen aus, doch auch sie wollen sich nicht darauf festlegen, die Minuszinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Zukunft nicht auf Kunden umzulegen.

"Ein Kündigungsrecht der Sparkasse ist in den Verträgen nicht explizit ausgeschlossen", verteidigt Johann Kiermaier, Leiter des Vorstandstabs der Sparkasse Erding-Dorfen, die Maßnahme. "Insofern handelt es sich nicht um Verträge, die auf Ewigkeit geschlossen sind." In Zeiten niedriger Zinsen und wenig profitabler Anlagemöglichkeiten boten die Sparverträge, die in den 90er und frühen 2000er Jahren geschlossen wurden, eine gute Kapitalanlage. Heutzutage befinden sich Verträge dieser Art gar nicht mehr im Angebot der Kreditinstitute.

Monatlich zahlte der Kunde einen festen Betrag ein und erhielt ab einer festgelegten Frist jährliche Prämien, die mit Laufe der Zeit stiegen. So konnte es beispielsweise nach drei Jahren Vertragslaufzeit eine drei-Prozent-Prämie geben, nach 15 Jahren aber schon eine 50-Prozent-Prämie auf das eingezahlte Geld. Kiermaier ist daran gelegen, das Positive dieser Verträge zu betonen: "Wir haben unseren Kunden mit diesem Produkt vor vielen Jahren eine sehr gute Anlagemöglichkeit empfohlen", sagt er. "Davon konnten unsere Kunden 15 Jahre lang profitieren." Möglich in Zeiten einer anderen Spar- und Zinspolitik. Doch jetzt gibt die EZB mit ihrem Kurs der Null- und Negativzinspolitik vor, wohin die Reise geht.

"Die Sparkasse ist unverändert ein fairer und verlässlicher Vertragspartner", sagt Johann Kiermaier, "aber wir bitten um Verständnis, wenn wir von einem ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen, da die Prämiensätze im derzeitigen Minuszinsumfeld für die Sparkasse nicht mehr zu refinanzieren sind."

Geldanlagen bei der EZB kosten die Kreditinstitute einen Minuszins von 0,4 Prozent. Auch aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB sei der Zinsüberschuss der Sparkasse seit Jahren rückläufig, erklärt Kiermaier.

Bei den jetzt vorgenommenen Vertragskündigungen beruft sich die Sparkasse auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Mai 2019, nach dem Sparverträge nach Erreichen der höchsten Prämienstufe gekündigt werden dürfen. Die Bank brauche laut Urteil dafür nur einen "sachgerechten Grund". Bei der Sparkasse findet man, dass die "Niedrigzinsphase die Kündigung sachlich rechtfertigt".

Den Negativzins führte die EZB vor fünf Jahren für Banken ein, die ihr Geld kurzfristig bei der Zentralbank parken. Statt Zinsen zu erhalten, mussten nun Zinsen gezahlt werden. Kreditinstitute sollten dadurch dazu angeregt werden, Geld stärker in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen und so die schwächelnde Konjunktur in Europa anzukurbeln.

"Vor ein paar Jahren dachte man noch, das wird nicht durchführbar sein"

Weil eine schnelle Wende dieser Politik nicht abzusehen ist, wollen auch andere Kreditinstitute nicht ausschließen, Negativzinsen künftig auf Kunden zu übertragen. Friedrich Ziller, stellvertretender Vorstandsvorsitzender bei der VR-Bank in Erding, gibt an, dass aktuell die Kündigung solcher Sparverträge nicht vorgesehen ist. Dennoch sieht auch er eine zunehmend hohe Belastung für die Banken durch die Zinspolitik der EZB. "Man muss gucken, wie sich das Zinsgefüge entwickelt", sagt er. "Und die Banken müssen schauen, wie sie sich refinanzieren können." Ziller geht davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Jahren verschärfen wird. Auf die Frage, ob dann auch die VR-Bank die Belastung auf Privatkunden umwälzen wird, sagt er: "Vor ein paar Jahren dachte man noch, das wird nicht durchführbar sein. Aber wenn der Druck weiter zunimmt, kann man nicht versprechen, die Negativzinspolitik nicht auch an Privatkunden weitergeben zu müssen."

Noch sei dies aber nicht geplant, ebenso wenig wie bei der Commerzbank. "An unseren bestehenden Sparverträgen ändern wir nichts", sagt Julia Sperrer, Filialdirektorin der Commerzbank-Filiale Erding. "Die Weitergabe von Negativzinsen an unsere Privatkunden ist derzeit kein Thema." Gleiches gilt für die Hypovereinsbank: Dass Sparverträge dieser Art gekündigt würden, treffe auf die Hypovereinsbank nicht zu, sagt ein Sprecher.

Eine kleine Anzahl an Kunden habe gegen die Kündigungen der Sparkasse Beschwerde eingelegt, sagt Johann Kiermaier. Erfolgreich dürften Widersprüche gegen Kündigungen jedoch nur sein, wenn die vertraglichfestgelegte Laufzeit oder die höchste Prämienstufe noch nicht erreicht sind.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4562052
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.