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Wind:Die Welt darf froh sein, dass Vaterstettens CSU nicht für das Weltklima zuständig ist

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Der Ort mit seinen Autobahnen wäre prädestiniert für Windräder. Der Gemeinderat hat mit seiner Entscheidung gegen Windräder eine große Chance vertan.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Der Vaterstettener Gemeinderat hatte am Donnerstagabend die Gelegenheit für ein Bekenntnis von historischer Dimension. Auf Antrag der SPD-Fraktion hätten die Mitglieder sich für die Errichtung von drei bis fünf Windrädern im Ortsgebiet aussprechen können. Windenergie wird im Ort seit Jahrzehnten diskutiert. Nun hätte Vaterstetten Vorreiter im Landkreis Ebersberg werden können. Als erste Gemeinde, die sich ein konkretes greifbares Ziel setzt, um die globale Klimakrise mit lokalen Maßnahmen zu bekämpfen. Das Ergebnis am Donnerstagabend: Vaterstetten hat diese große Chance vertan.

Die Fraktionen der CSU, Freien Wähler (FW) und der FDP haben das Bekenntnis verhindert. Zwar stimmten sie für den Alternativantrag von CSU/FW, in dem es um eine "Fortsetzung" der Eruierung für "mögliche Standorte für Windkraftanlagen" im ganzen Landkreis geht. Also weitermachen wie bisher. Der Gemeinderat hätte sich diesen Beschluss genausogut sparen können. Vaterstetten reicht das Thema eine Instanz weiter und drückt sich vor der Verantwortung.

Die Argumentation der CSU und ihres Wortführers Leonhard Spitzauer: Lieber das Landratsamt sondieren lassen, welche Gemeinde wo wieviele Windräder braucht oder verträgt, statt eigenmächtig zu handeln. Worauf sein Parteikollege Michael Niebler sinngemäß ergänzte, dass Klimawandel ein weltweites Problem sei. Dies ließ den CSU-Politiker zu dem Schluss kommen, dass die Hebelwirkung einer einzigen Gemeinde für die globale Dimension zu gering sei. Gemeinderat Niebler klang, als hätte die SPD beantragt, eigenhändig das Weltklima zu retten. Nach diesen Beiträgen darf die Welt froh sein, dass die Vaterstettener CSU nicht fürs Weltklima zuständig ist.

Tatsächlich ging es im SPD-Antrag darum, Windräder lediglich an bereits vorbelasteten Arealen, genauer: an Autobahnen aufzustellen. Das Vaterstettener Gemeindegebiet ist hierfür mit kilometerlangen Abschnitten der A 94 und A 99 geradezu prädestiniert. In einem flammenden Plädoyer für die Energiewende hob SPD-Fraktionssprecher Josef Mittermeier hervor, dass der Bau und Betrieb von Windrädern Aufträge für lokale Anbieter ergeben würden, also neben der ökologischen auch ökonomisch lukrative Aussichten zu erwarten seien. Der Vaterstettener Gemeinderat hatte in seiner vorherigen Sitzung - auch mit den Stimmen der CSU - den Ort zur Klimaschutzregion erklärt. Ein Titel, der schön klingt aber inhaltlich nichts ändert. Genau diesen Schritt, den ersten Schritt nach vorne für die lokale Energiewende, hätte Vaterstetten machen können. Der Beschluss vom Donnerstagabend war jedoch eher ein Schritt zurück.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2019
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