Süddeutsche Zeitung

Finanzen in Vaterstetten:Die 38-Millionen-Euro-Frage

Lesezeit: 3 min

Eigentlich steht die Großgemeinde vor einem eher entspannten Haushaltsjahr. Trotzdem kommt im Gemeinderat Besorgnis auf - und das nicht nur wegen der aktuellen Weltlage.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

In der Haushaltsdebatte der Großgemeinde Vaterstetten gibt es zwei Konstanten: Die eine ist das "Gemeindeschiff". Dieses fährt dank SPD-Gemeinderat Günter Lenz bereits seit dem vergangenen Jahrtausend metaphorisch durch die alljährliche Beratung zum neuesten Zahlenwerk. Die zweite ist der sorgenvolle Blick in die Zukunft - der heuer natürlich ob der Weltlage noch etwas sorgenvoller ausfiel. Doch nicht nur diese bereitet einigen im Gremium durchaus Unbehagen.

Die Zahl des Abends lautete "38 Millionen". Mit dieser Summe könnte Vaterstetten zum Ende der aktuellen Wahlperiode in der Kreide stehen - vielleicht wird es sogar noch mehr. Denn im Finanzplan, den Kämmerer Markus Porombka nun zusammen mit dem neuen Haushalt vorstellte, fehlt noch eine Unbekannte von einiger Größe: die mögliche Wiederauflage des Geothermieprojektes. Dass man eine solche versuchen will, ist seit Ende 2020 Beschlusslage - und erst vor gut einem Monat zeigte sich Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) zuversichtlich, dass dies auch gelingen könne. Man warte noch auf neue Förder-Richtlinien, dann werde sich der Gemeinderat mit dem Thema befassen.

"Wir haben Einiges vor bei der Energieversorgung", bekräftigte Spitzauer nun in der Sitzung - aber das gilt auch für andere Bereiche. Etwa beim Wohnungsbau, bei der Sanierung kommunaler Liegenschaften, wie etwa der Schulen, sowie beim Breitbandausbau. Mit welche Volumina man hier rechnet, zeigt der Blick in den Finanzplan: Während der Haushalt für das aktuelle Jahr noch mit 77,96 Millionen Euro auskommt, sollen es im kommenden Jahr bereits zehn Millionen mehr sein, 2024 dann insgesamt 94 Millionen und ein weiteres Jahr später könnte ein Rekordvolumen von 107,5 Millionen Euro stehen - wohlgemerkt noch ohne die Geothermie.

Aussichten, bei denen es einigen im Gremium durchaus unwohl wurde: "Den Schuldenstand 2025 finde ich ein bisschen beängstigend", sagte etwa Grünen-Fraktionssprecher Axel Weingärtner, man komme bei der Verschuldung in Bereiche, die man eigentlich nie erreichen wollte. Er stimme zwar zu, dass man sowohl in die Geothermie als auch in den Wohnungsbau investieren müsse, sei aber dagegen, dass weiterhin Millionenbeträge für die Umgehungsstraße Parsdorf in der Finanzplanung stehen. Auch Klaus Willenberg äußerte sich besorgt über die Entwicklung: "Die Rücklagen gehen runter, die Schulden rauf, und das geht immer so weiter - wir leben über unsere Verhältnisse." Dass die geplanten Vorhaben wie Wohnungsbau oder Geothermie sinnvoll seien, stellte er zwar nicht in Abrede, "aber wir müssen doch nicht immer alles selber machen". Sowohl die Fraktionen der Grünen wie der FDP stimmten daher gegen den Finanzplan.

Für den aktuellen Haushalt gab es dagegen viel Zustimmung, alle Fraktionen betonten, die Kämmerei habe sehr gute Arbeit geleistet: "Unter den gegebenen Umständen ist eine solide Haushaltsplanung alles andere als einfach", so SPD-Fraktionschef Josef Mittermeier, "aber der Kämmerei ist es gelungen". Er merkte aber auch an, dass wohl nicht nur die Geothermie in der Finanzplanung noch fehle: "Wir schieben viele Projekte vor uns her", etwa den Neubau der Gemeindebücherei oder auch den seit Jahrzehnten auf der Agenda stehenden Bürgersaal. Er hoffe, so Mittermeier, dass die vom Bürgermeister schon länger angekündigte Prioritätenliste bald einmal im Gremium ankomme. Was hoffentlich auch einmal ankommen sollte, sind mehr Einnahmen, denn die Sparmöglichkeiten seien angesichts des Aufgabenkataloges begrenzt, so Mittermeier.

Ohne Nachtragshaushalt wird es nicht gehen

Zumal vieles ja auch Pflichtaufgaben seien, sagte Christl Mitterer (CSU), weder bei der Kinderbetreuung noch bei der Kreisumlage könne die Gemeinde ihre Ausgaben verringern, das gelte teilweise auch für die Personalkosten. "Wichtig ist die Einnahmenseite", hier habe es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einige Versäumnisse gegeben, etwa bei der Entwicklung von lukrativen Gewerbegebieten. "Aber vielleicht kommt der Sechser im Lotto ja in Parsdorf III", also im neuen Gewerbegebiet an der A94 mit Standorten von Krauss-Maffei und BMW.

Dass der nun beschlossene Haushalt bis zum Ende des Haushaltsjahres Bestand haben wird, gilt indes als äußerst unwahrscheinlich. Vermutlich werde man einen Nachtragshaushalt brauchen, darauf hatte Porombka die Gemeinderäte bereits in der Vorberatung hingewiesen: Spätestens im September werde man sich im Gremium mit dieser Nachjustierung befassen müssen. Wie gravierend die Folgen des Krieges in der Ukraine für die öffentlichen Finanzen ausfallen werden, lasse sich derzeit aber nicht einmal schätzen. Denn anders als bei Corona, wo man schon früh mit sinkenden Einnahmen rechnen konnte, sei die Entwicklung hier nicht absehbar.

Roland Meier (FW) äußerte aber die Zuversicht, dass die Kämmerei da schon eine Lösung finden werde, schließlich verfüge deren Chef über eine "Ausgewogenheit aus Optimismus und Realismus". Ansonsten gelte nach Karl Valentin: "Hoffentlich kommt es nicht so schlimm, wie es schon ist." Und zum Schluss der Debatte kreuzte dann auch das schon von vielen erwartete Gemeindeschiff auf. Dieses sei diesmal in sehr unsicheren Gewässern unterwegs, so Lenz. Seenot attestierte er indes nicht. "Wir haben weitestgehend die richtigen Prioritäten gesetzt."

Das sahen auch die übrigen Gemeinderatsmitglieder so, im Gegensatz zum Finanzplan wurde der Haushalt ohne Gegenstimmen angenommen.

Die wichtigsten Zahlen:

Gesamtvolumen: 77,9 Millionen Euro; Verwaltungshaushalt: 64,9 Millionen Euro; Vermögenshaushalt: 13 Millionen Euro;

Größte Einnahmen: Einkommensteuer: 21,7 Millionen Euro; Gewerbesteuer: 8,5 Millionen Euro; Grundsteuer: 4,3 Millionen Euro;

Größte Ausgaben: Verwaltung- und Betrieb: 20,7 Millionen Euro; Kreisumlage: 15,4 Millionen Euro; Personalkosten: 10,5 Millionen Euro;

Größte Investitionen: Schule Brunnenstraße: 1,5 Millionen Euro; Wohnungsbau: 1,5 Millionen Euro; Straßenbau: 1,1 Millionen Euro;

Schulden aktuell: 23,3 Millionen Euro; Ende 2022 (Plan): 26,4 Millionen Euro; Rücklagen aktuell: 8,6 Millionen Euro; Ende 2022 (Plan): 6,3 Millionen Euro.

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