Süddeutsche Zeitung

Sonnenstrom aus Kirchseeon:"Ein Riesenschritt für die Energiewende"

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In Kirchseeon könnten zwei riesige Photovoltaikanlagen entstehen und 20 Prozent des Strombedarfs im Ort decken. Es gibt allerdings Hindernisse.

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Markus Henle kennt sich inzwischen bereits bestens aus in der Kirchseeoner ATSV-Halle, schließlich war der Geschäftsführer des Eberwerks in jüngster Zeit hier öfter zu Gast. So zufrieden wie nach der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montagabend dürfte der Chef des Regionalversorgers bisher aber selten den Heimweg angetreten haben.

Einen "Riesenschritt für die Energiewende im Landkreis" würden Henle zufolge nämlich die zwei Freiflächen-Photovoltaikanlagen bedeuten, die in Kirchseeon womöglich gebaut werden könnten. Aus technischer Sicht jedenfalls seien beide Anlagen - südlich der Bundesstraße 304 sowie auf dem ehemaligen Bahnschwellengelände - ohne Probleme umsetzbar. Der Haken sind die schwierigen Grundstücksverhandlungen, die der Gemeinde nun bevorstehen.

Denn dass man dieses Projekt weiter verfolgen will, darüber herrschte im Gemeinderat bei der jüngsten Sitzung breiter Konsens. Die reinen Zahlen können sich schließlich auch sehen lassen: Dem Eberwerk-Chef zufolge, dessen Unternehmen die Umsetzbarkeit der PV-Anlagen geprüft hatte, würden die auf insgesamt knapp sieben Hektar aufgestellten Module rund 20 Prozent des gesamten Kirchseeoner Strombedarfs abdecken. "Die Projekte hätten deshalb eine sehr hohe Bedeutung für die Energiewende", sagte Henle.

Insofern dürften sich die Hoffnungen der Grünen Liste im Gemeinderat mehr als erfüllt haben. Deren Vertreter nämlich waren an das Eberwerk mit der Bitte um eine Machbarkeitsstudie herangetreten. Die Ergebnisse präsentierte Markus Henle nun dem gesamten Gremium. Demnach habe man zwei Standorte genauer unter die Lupe genommen: entlang der Bundesstraße am östlichen Ortsausgang in Richtung Ebersberg und auf dem Gelände des ehemaligen Bahnschwellenwerks, das inzwischen zu Teilen dem Fahrzeughersteller Iveco sowie der Deutschen Bahn gehört.

In beiden Fällen seien Henle zufolge mehrere Varianten denkbar, wie man die Solarmodule platzieren könnte. An der Bundesstraße würde sich laut Eberwerk-Geschäftsführer ein dünner Streifen von etwa einem Kilometer Länge und rund 20 Meter Breite anbieten - aufgeteilt in drei Abschnitte. Der Eingriff in die Landschaft sei an dieser Stelle ebenfalls überschaubar. "Dort gibt es durch die B304 ohnehin eine erhebliche Vorbelastung", so Henle. Die Anlage selbst könne man recht flexibel gestalten, so sei auch eine etwas breitere und dafür kürzere Variante denkbar. Als Größe schlägt das Eberwerk eine Fläche von rund 3,8 Hektar vor. Einziger Nachteil am Standort Bundesstraße sei, dass dieser nicht durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz gefördert werde, so Henle.

"Wir reden hier über Grundstücke, die uns gar nicht gehören"

Anders beim alten Schwellenwerk. Hier könne man dem Eberwerk-Chef zufolge entsprechende Gelder abrufen. Die wirtschaftlichen Risiken seien dadurch geringer, da man eine feste Einspeisevergütung bekommen würde. Unabhängig davon würde sich laut Henle auch hier ein rund drei Hektar großer Streifen entlang der Bahnlinie anbieten. Wie auch an der Bundesstraße sei sowohl die Fläche im Ortskern für eine PV-Anlage geeignet, als auch die dortige Netzanbindung sichergestellt.

So schön die Ausführungen des Experten zunächst klangen, so bitter schmeckte der Wermutstropfen, den Henle zum Abgang servierte: Keines der in Frage kommenden Grundstücke ist im Besitz der Marktgemeinde. Die Flächen an der Bundesstraße gehören den Bayerischen Staatsgütern, das Gelände am Bahnhof der DB und Iveco - allesamt nicht die einfachsten Verhandlungspartner, wie der Eberwerk-Chef aus Erfahrung zu berichten wusste. Umso wichtiger sei es deshalb, politisch geschlossen aufzutreten, damit das Projekt den nötigen Rückenwind bekomme.

Dafür plädierte auch Bernhard Buckl (Grüne Liste), der dafür warb, auf politische Farbenspiele an dieser Stelle zu verzichten. "Wir müssen das gemeinsam als Gremium machen. Es geht hier um den Markt Kirchseeon." Diana Thalhammer (SPD) lobte die Idee als "sehr interessant, um die Energiewende voranzutreiben", musste gleichzeitig aber auch die Euphorie etwas dämpfen: "Wir reden hier über Grundstücke, die uns gar nicht gehören." Dennoch unterstütze man natürlich das Bestreben, die Pläne weiter zu verfolgen.

Wie das am besten gelingen kann, damit soll sich nun die Verwaltung auseinandersetzen. Die Gründung eines eigenen Arbeitskreises lehnte das Gremium ab. Man habe im AK Energie bereits eine Expertengruppe für dieses Thema, so die mehrheitliche Meinung. Ohnehin sei jetzt zunächst nur die Idee geboren, sagte Bürgermeister Jan Paeplow (CSU). Er lobte aber, wie viele andere im Gremium, die PV-Anlagen als "ein hoch spannendes Thema".

Dass solche Projekte im Landkreis dringend nötig seien, hatte zuvor bereits Markus Henle verdeutlicht. "Wir hängen meilenweit hinten dran bei der Energiewende", sagte der Eberwerk-Chef mit Blick auf die bisherigen Fortschritte in der Region. Um das vom Landkreis selbst gesteckte Ziel, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein, erreichen zu können, seien unter anderem rund 95 Hektar an Freiflächen-Photovoltaikanlagen nötig. Aktuell seien aber lediglich fünf Hektar verbaut. Kirchseeon könnte demnach schon bald mit gutem Beispiel vorangehen.

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SZ vom 23.04.2021
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